Gefährdet ein doktrinärer Glaube die Freiheit der Wissenschaft?

Der ehemalige SPD-Umweltsenator Fritz Vahrenholt kritisiert das geistige Klima in der Debatte um das Erdklima

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Fritz Vahrenholt, der ehemalige SPD-Umweltsenator der Hansestadt Hamburg und jetzige Vorsitzende der Geschäftsführung der RWE-Tochter Innogy, die sich mit erneuerbaren Energien beschäftigt, sieht die Debatte um den Klimawandel in Deutschland als zu wenig offen an. Durch die vorschnelle Kanonisierung von Theorien über das Erdklima ist seiner Ansicht nach ein geistiges Klima entstanden, in dem Theorien nur bedingt geäußert und falsifiziert werden können. Dadurch hätten Wissenschaftler mit abweichender Meinung "keine Chance, einen Lehrstuhl, ein Stipendium oder sonstige Unterstützung zu kriegen". Dieser Entwicklung muss die Wissenschaftspolitik seiner Ansicht nach ein Ende setzen und die Diskussion "öffnen".

In einem Interview mit dem Fernsehsender Phoenix, das am Sonntag um 11 Uhr 15 wiederholt wird, zeigt sich der Honorarprofessor für Chemie der Meinung, dass die Prognosen des Weltklimarats vom Ausmaß her falsch sind, weil "50 Prozent der Erderwärmung […], auch in den letzten 30 Jahren, auf natürliche Weise entstanden" seien. Außerdem gibt es durch das bisherige Wissen über Sonnenzyklen seiner Ansicht nach Anzeichen für eine Abnahme der Aktivität der Sonne, was erklären würde, dass die Temperatur seit 14 Jahren auf einem "Plateau wie um das Jahr 1000" verharrt und nicht wie vorhergesagt ansteigt.

Rechnet man mit diesen Annahmen, dann kommt man nach Ansicht des SPD-Mitglieds bis zur nächsten Jahrhundertwende "nicht auf vier Grad, sondern nur auf ein Grad Erwärmung". Deshalb bleibt Vahrenholt zufolge sehr viel mehr Zeit als gemeinhin prognostiziert, um den Kohlendioxidausstoß zu verringern. Mit dieser zusätzlichen Zeit lasse sich der Energieerzeugungsumbau rationaler gestalten, als man ihn derzeit betreibt. So könne man zum Beispiel auf Unsinn wie die Verarbeitung von Weizen zu Bioethanol verzichten. Vahrenholt, der 1978 mit dem Buch Seveso ist überall bekannt wurde, vertritt diese Thesen auch in dem unlängst veröffentlichten Buch Die kalte Sonne, das von anderen Klimaforschern überwiegend negativ aufgenommen wurde.