Anrüchig, unverantwortlich, unsinnig

Ehemaliger Atommanager und Energieökonom weist der Bundesregierung billige Taschenspielertricks nach

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Der ehemalige Atommanager Klaus Traube, seit den späten 1970er Jahren vielgelesener Autor in der Anti-AKW-Bewegung, hat für den Deutschen Naturschutzring (DNR) das Gefälligkeitsgutachten zerpflückt, mit dem die Bundesregierung die geplante Verlängerung der AKW-Laufzeiten versucht zu begründen. Ein Versuch, der wie inzwischen bekannt wurde eine besondere Anrüchigkeit durch einem noch in der Nacht zum Montag – um genau zu sein: um 5:23 Uhr – in aller Eile mit den Energiekonzernen abgeschlossenen Geheimvertrag bekommt.

Traube weist daraufhin, dass, wenn die Bundesregierung sich mit ihren neuen Reststrommengen durchsetzen kann, die deutschen Meiler so lange laufen werden, wie weltweit bisher noch kein anderes AKW. Biblis A hat zum Beispiel bereits 36 Jahre auf dem Buckel. Nach geltendem Recht hätte es schon längst stillgelegt werden müssen, wäre die Frist nicht mittels Reduktion der Leistung durch den Betreiber gestreckt worden. Nun soll der Reaktor weitere acht Jahre bekommen, oder auch mehr, wenn RWE sein Spielchen wiederholen sollte.

Traube dazu: "So 'alt' (44 Jahre) ist kein einziges der derzeit 441 weltweit in Betrieb befindlichen AKW; alle noch älteren (vor 1974 in Betrieb gegangenen) AKW wurden bereits abgeschaltet. Insgesamt wurden 125 AKW bereits stillgelegt, darunter auch viele jüngere. Das geschah in der Regel aus Sicherheitsgründen, denn je älter, um so störanfälliger sind AKW.“

Die meisten anderen der 17 noch im Betrieb befindlichen deutschen AKW würden sogar noch länger laufen, „und zwar bis zu 50 Jahren.“ Das ergebe sich aus den aktuellen Reststrommengen und der Annahme einer jährlichen Auslastung von 82%, was, so Traube, dem bisherigen Mittelwert der deutschen AKW entspräche. Würde allerdings das Vorranggebot des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ernst genommen, dann ergeben sich mittelfristig sicherlich geringere Auslastungswerte und damit auch noch längere Laufzeiten. Pannenserien, beinahe Katastrophen und erhebliche Netzinstabilitäten – erinnert sei an die nahezu zeitgleichen Schnellabschaltungen in Brunsbüttel und Krümmel 2007 – scheinen also vorgezeichnet, und Traubes Urteil, dass die von der Regierung angestrebte Laufzeitverlängerung aus Sicherheitsgründen unverantwortlich und ohnehin unsinnig sei, erscheint eher noch verhalten.

Bemerkenswert findet Traube, dass trotz der zahlreichen Tricksereien bei der Aufstellung der Szenarien, die er in seinem Analysepapier beschreibt, der berechnete volkswirtschaftliche Vorteil der Laufzeiten bestenfalls marginal sei. Am relevantesten sei noch der Zuwachs an Arbeitsplätzen, doch der sei den in den Verlängerungsszenarien unterstelltem massiven Ausbau der Wärmesanierung von Gebäuden geschuldet. Dass dieser nicht im Referenzszenario ohne verlängerte Laufzeiten auftritt, liegt lediglich daran, dass dort ein weniger ehrgeiziger Ansatz in Sachen Wärmedämmung unterstellt wurde. Ganz so, als sei diese nur möglich, wenn die AKW länger laufen würden.

DNR-Präsident Hubert Weinzierl fühlt sich durch derlei billige Taschenspielertricks reichlich verschaukelt. „Wir lassen uns von Frau Merkel nicht für dumm verkaufen“, sagte er bei der Vorstellung von Traubes Analysepapiers und rief zur Teilnahme an der Demonstration der Anti-AKW-Bewegung am 18. September in Berlin auf.