Bundesverfassungsgericht vermisst Grundsatzurteil zu Filesharinghaftung

Die Voraussetzungen zur Haftung für Internetanschluss sind klärungsbedürftig

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Das Bundesverfassungsgericht hat einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, der zufolge das Oberlandesgericht Köln die verwehrte Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof in einem Filesharingfall erneut prüfen muss. Der Beschwerdeführer – ausgerechnet ein auf Onlinerecherche und Internetpiraterie spezialisierter Polizeibeamter – war als Anschlussinhaber eines Internetzugangs auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.500,- € in Anspruch genommen worden. Er sollte für Filesharing des volljährigen Sohns seiner Lebensgefährtin haften, der mit 3.749 Musikdateien hantiert hatte. Hieraus ergäbe sich ein Streitwert von 400.000,- €, der die geforderten Anwaltskosten rechtfertige. Das Landgericht Köln sowie das Oberlandesgericht Köln hatten den Beschwerdeführer verurteilt, die Anwaltskosten etc. wegen berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag zu tragen. Den Inhaber eines Internetanschlusses träfen im Zeitalter von Filesharing Prüf- und Handlungspflichten, deren Beachtung der Beschwerdeführer nicht dargetan habe.

Die Voraussetzungen zur Begründung und Reichweite der Haftung bei Filesharingfällen sind nach wie vor unklar, da sich der BGH in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ nur teilweise hierzu geäußert hat. Streitig ist insbesondere, ob ein Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung haben muss. In der Berufung zum OLG Köln hatte der Beschwerdeführer erklärt, dass in der Familie über die Rechtswidrigkeit der Nutzung von Tauschbörsen gesprochen worden sei. Damit hätte er seinen ihm zumutbaren Pflichten genügt. Das OLG Köln lehnte jedoch eine Berücksichtigung des Vorbringens ab, weil dieses nach seiner Ansicht verspätet sei gewesen sei. Auch sei die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung habe.

Letzteres jedoch fuchste das Bundesverfassungsgericht. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts lasse nicht klar erkennen, aus welchen Gründen die Revision nicht zugelassen wurde. Eine Zulassung hätte jedoch nahe gelegen, da nun einmal zur Haftung in Filesharingfällen widersprüchliche untergerichtliche Urteile vorliegen, die sich jedoch mit der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ in Einklang bringen ließen. Daher hätte eine Zulassung zur Revision nahe gelegen, um die Sache verbindlich zu klären. Es bleibt also spannend!

Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich nicht zu dem weiteren Vorwurf, die Klage sei rechtsmissbräuchlich, weil die mit der Klage befasste Anwaltskanzlei intern die Mandanten wohl von Kosten freigestellt habe und faktisch daher möglicherweise auf eigene Rechnung arbeite. Interessant ist insoweit die Tatsache, dass die formal zwar vertretenen Rechteinhaber ihre übliche Schadensersatzforderung wegen Lizenzkosten zurückgenommen haben, was bei einer theoretischen Forderung von 400.000,- € bemerkenswert großzügig erscheint.