Mehrheit für ACTA bröckelt

In Österreich sind mittlerweile vier von fünf Parlamentsparteien gegen das Vorhaben

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Obwohl die Regierung der Republik Österreich das Internet-Kontroll-Abkommen ACTA bereits am 26. Januar durch einen Diplomaten unterschreiben ließ, bröckelt nach massiven Protesten und immer stärkerem Bürgerunmut darüber, was da hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wurde, die Zustimmung in den Parlamentsparteien. Aus vier der fünf im Nationalrat vertretenen politischen Gruppierungen gibt es bereits laute kritische Stimmen. Lediglich die Österreichische Volkspartei (ÖVP) scheint noch fest zu dem Vorhaben zu stehen.

Für den größeren sozialdemokratischen Koalitionspartner SPÖ erklärte dagegen gestern im ORF eine Sprecherin, dass es derzeit in ihrer Partei wohl keine Mehrheit für ACTA gebe. Beim Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) und bei der ebenfalls oppositionellen Freiheitlichen Partei (FPÖ) sprach man sich bereits vorher in teilweise recht deutlichen Worten ("Rückschritt in den Vormärz") gegen den als Neofeudalismus empfundenen Vertrag aus und bei den Grünen scheint die Schauspielerin und Ex-Europaabgeordnete Mercedes Echerer - die sich für die zum Eigentor gewordene Rechteverwerterkampagne "Kunst hat Recht" einspannen ließ -, die einzige ACTA-Befürworterin auf weiter Flur zu sein.

Die polnische, die tschechische, die slowakische, die lettische und die deutsche Regierung haben den Ratifizierungsprozess inzwischen auf Eis gelegt, um Diskussionen im Europaparlament nicht vorzugreifen. In Österreich scheint man die Ratifizierung auf eine schon von Karl Kraus beschriebene traditionelle Weise dadurch aufzuschieben, dass man sich streitet, welches Ministerium für die Weiterleitung des Abkommens an das Parlament zuständig ist.

Die nach den öffentlichen Protesten auch in etablierten Parteien erwachte Kritik an ACTA macht eine Mehrheit für das Abkommen im Europaparlament zweifelhafter. Seine eifrigsten Befürworter hat der Vertrag noch in der UMP, der Partei des politisch angeschlagenen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, und in ihren Fraktionsverbündeten. Doch auch dort bröckelt die Unterstützung teilweise: Die Junge Union, die Jugendorganisation der deutschen CDU und der bayerischen CSU, distanzierte sich mittlerweile von dem Abkommen.

Zugute kommt den ACTA-Gegnern in der Union, dass Vorstöße von ACTA-Verteidigern wie Ansgar Heveling in letzter Zeit immer öfter nach hinten losgingen. Als am Montag der ungewöhnlich sensible Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach den Vertrag mit dem Argument zu verteidigen versuchte, im Internet dürfe nicht erlaubt sein, was im realen Leben verboten ist, da nahmen dies ACTA-Kritiker als Steilvorlage und machten darauf aufmerksam, dass das Problem ja darin besteht "online für Dinge überwacht und bestraft zu werden, die offline normal sind, wie Freunden Bilder zeigen und Musik vorspielen".