Chaospartei FDP

Mit den Hin und Her in NRW schon allein im Hinblick auf Gespräche mit Grünen und SPD zerlegt sich die angeschlagene Partei weiter

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die FDP entwickelt sich, nachdem sie in NRW eine Wahlschlappe erlitten hat und mit ihrem wirtschafts- und finanzpolitischen Programm angesichts der Euro-Krise und der Staatsverschuldung endgültig nicht mehr durchkommt, zur wahrhaften Chaotenpartei. Die ideologischen Leitplanken sind gefallen, in Berlin muss sie sich ducken und in NRW irgendwie das Beste herausholen, was ihr aber nicht recht zu gelingen scheint.

Während die Ypsilanti-Falle für SPD-Landeschefin Kraft deutlich kleiner geworden ist, setzt die FDP weiterhin, als gäbe es noch die DDR und den Kalten Krieg, auf die Angst vor den chaotischen und regierungsfähigen Linken, die sie als extremistisch oder als "kommunistische Verfassungsgegner" bezeichnet. Damit sollte sie vorsichtig sein, denn extremistisch wäre es wohl auch, sich aus nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen Gesprächen mit anderen demokratischen Parteien von vorneherein zu verweigern. Zudem erzwingt sie damit genau das, was sie eigentlich nicht haben will: eine rot-rot-grüne Koalition oder auch eine rot-schwarze. Allerdings hat die FDP in Berlin auch erwiesen, dass sie selbst für eine funktionsfähige Koalition mit der Union zu extrem ist und in NRW kaum mehr Anhänger hat als die Linke.

Das Schauspiel, das FDP in NRW und Berlin nun aufführen, zeugt von einer tiefen Konzeptionslosigkeit oder von Hilflosigkeit, da jetzt die FDP nur noch stur an der Kopfpauschale festhält, aber sich als unfähig erwiesen hat, auf die Eurokrise zu reagieren und starke Finanzmarktregulationen schnell durchzusetzen. Zunächst hatte die FDP vor der Wahl jede Koalition mit Rot-Grün ausgeschlossen. Auch nach der Wahl wurde das noch einmal betont, bis FDP-Landeschef Pinkwart wohl im Alleingang auf einmal diese Möglichkeit nicht mehr prinzipiell ausschließen mochte und Koalitionsgespräche an die ziemlich seltsame, eher an eine kleinkindliche Trotzreaktion erinnernde Bedingung knüpfte, dass Rot-Grün von vorneherein nicht nur eine Koalition, sondern auch schon die Möglichkeit von Sondierungsgesprächen mit der Linken ausschließt.

Gleichzeitig erteilte jedoch schon FDP-Fraktionschef Papke der Ampel noch einmal Absage. Nachdem Rot-Grün aus nachvollziehbaren Gründen nicht eine mögliche Koalition mit der Linken ausschließen mag, bevor es überhaupt zu Gesprächen mit der FDP, geschweige denn zu einer Einigung kommt, schien man in der FDP beschlossen zu haben, damit endgültig auszusteigen. Tatsächlich wäre dies für FDP in ihrem gegenwärtigen Zustand wahrscheinlich besser, weil in Koalitionsgesprächen die marktideologischen Unbeweglichkeiten, wegen derer die Liberalen an Zustimmung verloren haben, nur noch deutlicher herausgekommen wären. Allerdings bringt sie sich mit einer Verweigerung in das Dilemma, selbst nicht flexibel und kompromissbereit, also keine Partei der Mitte zu sein und just das zu machen, was FDP-Chef Westerwelle angeblich vermeiden will, nämlich zum "Steigbügelhalter für eine Linksregierung" zu werden. Effekt des Hin und Her dürfte auch sein, dass diejenigen in der SPD und bei den Grünen, die lieber nicht mit den Linken in eine Koalition geraten wollen, in die Defensive kommen.

Nachdem Westerwelle erneut der Ampel eine Absage erteilte, kam auch wieder Papke hervor und erklärte am Donnerstag noch einmal ein definites Nein zu Gesprächen mit Rot-Grün, weil die "parallel mit FDP und Linkspartei über eine Regierungsbildung verhandeln wollen", obgleich man den Liberalen schon entgegen gekommen war und mit diesen zuerst sprechen wollte. Dem schloss sich auch FDP-Generalsekretär Lindner an, was aber Pinkwart, dem NRW-Landesvorsitzenden, stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden und Deutschlands einzigen "Innovationsminister", weiterhin nicht gefällt. Der will die Tür noch nicht schließen, sofern "Bündnisse mit Linksextremisten" von der SPD und den Grünen auf ihrem Treffen am Freitag ausgeschlossen werden, um so "Gespräche zwischen demokratischen Parteien im Interesse des Landes möglich zu machen".

Auffällig ist, dass es dabei offenbar nicht um Inhalte geht. SPD und Grüne lassen sich durch die internen Streitereien nicht irritieren, sondern wollen FDP und die Linken zu Sondierungsgesprächen einladen, wie es sich für demokratische Parteien gehört. Man darf gespannt sein, ob man in der FDP aus dieser Falle - Westerwelle-Falle? Pinkwart-Falle? -, in die man sich hineinbewegt hat, wieder öffnen kann oder ob sich die Partei weiter politisch und personell zersetzt ( Aus Pinkwart wird "Pinkilanti").