"Wissenschaft muss sich den Fragen der Gesellschaft stellen"

Nach der Einschätzung zweier französischer Behörden fehlt der Studie von Gilles-Eric Séralini zur Toxität von Monsanto-Mais der zwingende Nachweis der Kausalität. Dennoch schreiben sie ihr eine Vorreiter-Rolle zu und fordern mehr Langzeituntersuchungen

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Die Studie von Gilles-Eric Séralini zur Toxität von Nahrungsmitteln, die mit Monsanto-Produkten versetzt wurden ( Sind Nahrungsmittel mit genetisch modifizierten Bestandteilen giftig?), schlug hohe Wellen; die Ergebnisse der Studie, die einen Zusammenhang zwischen genetisch veränderten Organismen in der Nahrung und der Häufung von Tumoren der Versuchsratten nahelegte, wurden schnell einer größeren Öffentlichkeit bekannt und führten zu Kontroversen mit starken politischen Untertönen ( "Die Beweislast jetzt bei der Industrie").

Nun, etwa ein Monat nachdem die Studie mit starken publizistischen Rückenwind vom französischen Nachrichtenmagazin Nouvel Observateur an die Öffentlichkeit gebracht wurde, reagieren zwei französische Institutionen mit ihren Einschätzungen: Anses, die Behörde für Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Arbeitsschutz, und der Hohe Rat für Biotechnologien ( HCB). Die Behörde Anses wurde von der Regierung dazu ersucht, ihre Einschätzung zur Studie abzugeben und der Haut conseil des biotechnologies wurde ebenfalls von Ministerien dazu beauftragt.

Anses notiert in ihrem Gutachten, dass in der Studie die Schlüsse der Wissenschaftler nicht hinreichend begründet sind. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Aufnahme Herbizids Roundup und der Roundup verträglichen genetisch veränderten Maissorte NK603 und den festgestellten Krankheitsbildern sei "wissenschaftlich nicht ausreichend" dargestellt. Frühere Einschätzungen zur Verträglichkeit der Maissorte NK603 und von Round-up sind nach Ansicht der Behörde durch die Arbeit von Séralini nicht widerlegt.

Trotz alldem weist die Behörde der Studie eine "Orginalität" zu und spricht die Empfehlung aus, dass man den von ihr begangenen Weg fortsetzen sollte, nämlich Langzeitstudien zu Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen zu unternehmen. Dafür sollten Gelder aus dem französischen und des europäischen Haushalt zur Verfügung gestellt werden; Anses erklärte sich dazu bereit, sich an solchen Arbeiten zu beteiligen, damit allgemein gültige Kriterien für solche Studien entwickelt würden.

"Unabhängig und widerstreitend"

Ganz ähnlich fällt die Einschätzung des HCB aus, der auf Fragen im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Organismen spezialisiert ist. Auch dort werden Schwächen der Séralini-Studiue gesehen, die auch aus Sicht des HCB nicht die Kausalität begründen kann, wie dies von den Verfassern postuliert wird. Das experimentale Design der Studie sei dem Ziel nicht angemessen. Aber auch der Haut conseil des biotechnologies entdeckt in der Arbeit von Séralini eine Vorreiter-Rolle. Man empfiehlt, dass weitere Langzeitstudien unternommen werden, "unabhängig und widerstreitend, unter der Führung der öffentlichen Gewalt zu Gesundheitsrisiken des Mais NK603". Man müsse sich den Fragen der Gesellschaft stellen.

Nun wartet man in Frankreich auf eine öffentliche Stellungnahme der Agrarministerin Stéphane Le Foll, die als Skeptikerin gilt, wenn es um Genehmigungen von gentechnisch modifizierten Organismen geht. Das letzte Wort in der Diskussion wird auch sie nicht sprechen.