Wirtschaftsspionage verdrängt linke und rechte Gewalt

Die Zahl der dem Linksextremismus zugerechneten Gewalttaten ist nach dem Verfassungsschutzbericht stark angestiegen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der am 21. Juni in Berlin vorgestellte Verfassungsschutzbericht 2009 erhebt den Kampf gegen die Wirtschaftsspionage zu einem neuen Schwerpunkt. Durch verstärkten Datenaustausch und die Nutzung des Internet steige das Risiko, ausspioniert zu werden, erheblich. Diese Gefahr werde von vielen Firmen noch unterschätzt, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der den aktuellen VS-Bericht gemeinsam mit Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm der Öffentlichkeit präsentierte.

In dem Bericht wird auf zwei Länder besonders eingegangen: "Die Bundesrepublik Deutschland ist wegen ihrer geopolitischen Lage, ihrer wichtigen Rolle in EU und NATO sowie als Standort zahlreicher Unternehmen der Spitzentechnologie für fremde Nachrichtendienste sehr attraktiv. Ihre offene und pluralistische Gesellschaft erleichtert den Nachrichtendiensten die Informationsbeschaffung. Hauptträger der Spionageaktivitäten in Deutschland sind derzeit die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Darüber hinaus sind Länder des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens sowie Nordafrikas zu nennen."

Der Duisburger Politikwissenschaftler Thomas Heberer hatte allerdings in der letzten Woche anlässlich der Vorstellung der von ihm mit erarbeiteten Studie Die Chinaberichterstattung in den deutschen Medien die besondere Fokussierung auf China kritisiert und darauf verwiesen, dass von Wirtschaftsspionage von Seiten der USA viel weniger gesprochen wird, obwohl die wesentlich größere Ausmaße habe (Beispiel Echelon).

Auch dem Themenfeld Islamismus ist im VS-Bericht ein eigenes Kapitel gewidmet. Danach ist die Zahl der Islamisten in Deutschland im Jahr von 34.720 im Jahr 2008 auf 36.270 im Jahr 2009 gestiegen. Ca. 200 "Menschen mit Deutschlandbezug" sollen sich in den letzten Jahren in islamistischen Ausbildungscamps aufgehalten haben.

Rechte und linke Gewalt

Wer die Debatten der letzten Wochen verfolgt hat, wird auch über die VS-Erkenntnisse im Bereich des sogenannten Rechts- und Linksextremismus wenig überrascht sein. Danach war im letzten Jahr die Zahl von Straftaten mit rechter Motivation mit 18.750 - davon 13.280 "Propagandataten" - viermal so hoch wie die 4.735 Straftaten mit linker Motivation. Bei den erfassten Gewalttaten mit rechter Motivation wurde 2009 ein Rückgang von 1.040 auf 890 konstatiert, während die linksmotivierten Gewalttaten im Berichtszeitraum von 700 auf 1.115 um über 50 Prozent gestiegen seien.

Hervorgehoben wird, dass nicht nur die "Zahl der Gewalttaten mit zu vermutendem linksextremistischen Hintergrund mit 1.096 registrierten Delikten gegenüber dem Vorjahr (2008: 701) deutlich gestiegen" sei, zu beobachten sei auch "eine in ihrer Aggressivität deutlich zunehmende verbale Militanz". Während die Zahl der Rechtsextremen zurückgehe, steige die der Linksextremen, zu denen auch Parteimitglieder der Linken gezählt werden, z.B. die Mitglieder der Kommunistischen Plattform ( Verfassungsschutz wird die Linkspartei weiter beobachten).

Der Innenminister bezeichnete den Verfassungsschutz als "Frühwarnsystem". Man werde dem Verhalten der Linksextremisten "entschlossen entgegentreten". Dabei müsse man stärker darauf achten, "die Leitfiguren der Szene zu identifizieren, Kommunikationswege aufzudecken und das daraus erwachsende Gewaltpotenzial perspektivisch zu bewerten".

Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linkspartei kritisiert diese Zuordnung und plädiert mit Verweis auf die Ergebnisse einer Kleinen Anfrage im Bundestag für eine differenzierte Betrachtung der Statistiken über linke Gewalt: "Trotz des Kampagnencharakters der Warnungen vor einem Anstieg 'linker' Straftaten gibt es keinerlei verbindliche Statistik, die diesen Anstieg belegt. Stattdessen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Statistiken, die miteinander nicht kombinierbar sind", so Jelpke.