Griechenland: Den Bock zum Gärtner gemacht!

Griechischer Ex-Finanzminister versteckte vermutlich Steuersünder durch Manipulation der Liste potentieller Steuerflüchtline

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Offensichtlich hat ausgerechnet der ehemalige Finanzminister Giorgos Papaconstantinou Hand an die vieldiskutierte Liste potentieller Steuersünder gelegt. Dies ist das erste Ergebnis eines Abgleichs der in Griechenland seit mehr als zwei Jahren durch Minister- und Redaktionsbüros kursierenden Liste von Konteninhabern bei der schweizerischen HSBC und einer neuen, frisch am vergangenen Freitag gesandten Kopie aus Frankreich.

Über die Weihnachtsfeiertage schob Finanzstaatsanwalt Grigoris Peponis Überstunden. Der "Unbestechliche" soll, so sickerte durch, unter anderem entdeckt haben, dass in der Originalausgabe der Liste zwei - andere Quellen sprechen von drei - enge Verwandte Papaconstantinous verzeichnet sind. In der bislang vorliegenden Version, die von Evangelos Venizelos an die Strafverfolgungsbehörden übergeben wurde, fehlen diese und andere Namen.

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Ex-Finanzminister Giorgos Papaconstantinou. Bild: W. Aswestopoulos

Trotz des Jahreswechsels und der damit verbundenen Schließung des Parlaments soll nun die korrekte Liste umgehend zum Parlament gesandt werden und dort für Abgeordnete bereit liegen.

Die Odyssee eines Geschenks

Die ehemalige französische Finanzministerin und jetzige IWF-Chefin Christine Lagarde hatte den kriselnden Griechen bereits 2010 kostenlos einen Auszug aus der CD von Hervé Falciani zur Verfügung gestellt. Falciani seinerseits hatte aus den Computern seines ehemaligen Arbeitgebers, der HSBC, die Kontodaten europäischer Finanzflüchtlinge herausgefiltert und gewinnbringend an europäische Regierungen verhökert.

Während andere Staaten den teuer bezahlten Datenklau für die Steuerfahndung nutzten, blieben die von Lagarde geschenkten Daten in den Schreibtischen von Ministern. Papaconstantinou hatte, nachdem er den Posten des Finanzministers nach turbulenten Wochen an den nun amtierenden PASOK-Chef Evangelos Venizelos übergeben musste Rochade kurz vor dem Schachmatt, auch den Datenträger weitergereicht.

Venizelos hingegen hielt diesen unter Verschluss. Der gewichtige Politiker konnte sich erst wieder an die Existenz der Liste erinnern, als die in der Presse verbreiteten Gerüchte über deren Daten keine andere Wahl ließen. Schließlich kursierten so viele Geschichten um die Liste, dass einige Zeitgenossen des journalistischen Gewerbes die vorgebliche (?) Kenntnis des Inhalts nutzten, um reiche Griechen zu erpressen. Kostas Vaxevanis, der Journalist, der mit seiner Aufdeckung der Liste den Stein ins Rollen brachte, kommentierte gegenüber Telepolis:

"Wenn Papaconstantinou die Liste verfälscht hat, dann hat Venizelos ihn gedeckt. Denn er war derjenige, der im Parlament verkündete, dass die Liste juristisch nicht verwertbar ist."

Vaxevanis wurde wegen der Veröffentlichung der Liste verhaftet, vor Gericht gestellt und zunächst frei gesprochen. Allerdings muss er wegen eines Revisionsantrags der Staatsanwaltschaft erneut vor den Kadi. Papaconstantinou hingegen bleibt immer noch unbehelligt. Der frühere Parteisprecher der PASOK hat keine parlamentarische Immunität mehr, da er es nicht schaffte, erneut gewählt zu werden.

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Nachfolger Evangelos Venizelos, jetzt PASOK-Chef. Bild: W. Aswestopoulos

Von Kritikern wird der ehemalige Schützling von Giorgos Papandreou als einer der Hauptverursacher der Krise gesehen. Denn Papaconstantinou hatte direkt nach den Wahlen 2009 den internationalen Finanzmarktspekulanten mit zweifelhaften Regeländerungen Tür und Tor geöffnet, während er gleichzeitig von Griechenland als "einer neuen Titanic" sprach und anprangerte, dass das Land korrupt sei ( Wer zahlt für politische Eigentore?). Synchron unterließ er damals im Herbst 2009 noch das Ergreifen möglicher, sozial verträglicherer Sparmaßnahmen, welche das totale Inferno der Schuldenkrise für Griechenland noch hätten abwenden können.

Papaconstantinou wurde während seiner gesamten Amtszeit von Papandreou protegiert und hatte freie Hand in seinen Entscheidungen. Nun versucht er, sich herauszureden, indem er behauptet, dass er persönlich keine Kenntnis von der Existenz der Namen seiner Verwandten auf der Liste gehabt habe. Noch dementiert er, dass die Manipulation auf sein Geheiß stattgefunden habe.

Der Fahndungsdruck auf Papaconstantinou birgt somit auch Sprengstoff für den ehemaligen Premier Papandreou und für Venizelos. Die Folgen für die Stabilität der amtierenden Koalition sind zurzeit noch nicht absehbar. Noch am Freitagnachmittag wurde Giorgos Papaconstantinou von Evangelos Venizelos aus der PASOK ausgeschlossen.