GEZ will Geld von Obdachlosen

Ein Bremer musste 340,60 Euro für die Zeit nachzahlen, in der er auf der Straße lebte

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Ein Systemproblem, das der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland mit der privaten Krankenversicherung gemeinsam hat, ist, dass die Beiträge nicht nach dem Einkommen berechnet werden. Bei der Rundfunkgebühr soll eine Befreiungsmöglichkeit besonders negative Auswirkungen theoretisch abschwächen. In der Praxis wird diese Möglichkeit allerdings so bürokratisch gehandhabt, dass nur derjenige davon profitiert, der als Renter, Bafög- oder klassischer Hartz-IV-Empfänger keine Schwierigkeiten hat, die nötigen amtlichen Dokumente zusammenzubekommen. Alle anderen - zum Beispiel gering verdienende Freiberufler - haben kaum eine Chance. Egal, wie arm sie sind.

Das musste auch der längere Zeit obdachlose Bremer Peter S. erfahren, dessen Schicksal der Fernsehrebell Holger Kreymeier in der 89. Folge seines Magazins Fernsehkritik-TV öffentlich macht. Nachdem S., der im Zuge einer ehelichen Auseinandersetzung seine Wohnung verlor, mit viel Mühe wieder eine neue Bleibe gefunden hatte, schickte ihm die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) einen Bescheid, in dem sie 340,60 Euro zuzüglich Mahngebühren für die Zeit haben wollte, in der er auf der Straße lebte. Und trotz Einschaltung eines Rechtsanwalts musste der Bremer das Geld zweieinhalb Jahre lang mit monatlich 15 Euro abstottern.

Grund dafür ist, dass S. zwar mit Bescheiden nachweisen konnte, dass er wohnungslos war - aber die reichen der GEZ nicht für eine Befreiung. Die Bescheinigung, die sie für solch eine Befreiung will, darf wiederum die Bremer Arbeitsagentur Obdachlosen nicht ausstellen. Dass die Vorstellung, ein Obdachloser schleppe einen Fernseher mit sich herum, extrem lebensfern ist, konnte die Rundfunkgebührenbürokratie nicht von ihrer Sicht der Rechtslage abbringen. Seit den Zeiten des Hauptmanns von Köpenick scheint sich da herzlich wenig geändert zu haben, auch wenn die Behörden und Dokumente jetzt andere Namen tragen.

Als S. während seiner Rückzahlung ins Krankenhaus musste und deshalb die pünktliche Überweisung einer Rate versäumte, kündigte ihm die GEZ sofort eine Zwangsvollstreckung an und wollte zudem die fehlenden 143,54 Euro auf einen Schlag, was der Anwalt des Hartz-IV-Empfängers jedoch abwenden konnte. Nachdem er schließlich alles abbezahlt zu haben glaubte, schickte man ihm noch einmal eine Rechnung über einen Cent. Ein Lokalzeitungsreporter, dem S. diese Zahlungsaufforderung zeigte, errechnete, dass es sich bei dem eingeforderten Betrag nicht um eine Schuld, sondern um eine Überzahlung handeln musste. Damit konfrontiert, gab die GEZ den Fehler zu. Den Cent, auf dessen Zahlung sie vorher so vehement pochte, will sie aber trotzdem nicht herausrücken, sondern "mit zukünftigen Zahlungen verrechnen".