Obama verhindert Veröffentlichung von weiteren Missbrauchs-Bildern

Der US-Präsident befürchtet, dass dadurch der Anti-Amerikanismus neu gestärkt und US-Soldaten in Afghanistan gefährdet würden

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Vor drei Wochen hatte Obama der Veröffentlichung der Fotos noch zugestimmt, nun heißt es, der Präsident wolle verhindern, dass weitere Bilder, die den Missbrauch von Gefangenen durch Angehörige der US-Streitkräfte zeigen, veröffentlicht werden. Dem Gerichtsurteil, das die Bilder als Reaktion auf einen Freedom of Information Act freigegeben hatte, will man nun mit dem Mittel einer nationalen Sicherheitsausnahme ("national security exemption") beikommen; die Frist für Einsprüche normalen Kalibers ist abgelaufen.

In einem Brief vom 23. April an das dafür zuständige Gericht hatte die Regierung noch bestätigt, dass das Verteidigungsministerium aufgrund einer Vereinbarung aller beteiligter Parteien die Bilder bis zum 28. Mai dieses Jahres beibringen werde. Laut amerikanischer Medien hat sich Obama, nachdem er sich die Bilder noch einmal angeschaut habe, zu einer Kehrtwende in der Sache entschlossen:

Die Veröffentlichung dieser Bilder würde keinen zusätzliche Nutzen bringen, was unsere Erkenntnis über das anbelangt, das in der Vergangenheit von einigen wenigen Personen begangen wurde. Tatsächlich würde die unmittelbarste Konsequenz der Veröffentlichung darin bestehen, dass sie anti-amerikanische Meinungen weiter befeuern und unsere Soldaten damit in Gefahr bringen.

Auch das Statement des Pentagon will auf die durch die Fotos gesteigerte Gefährdungslage der Soldaten hinaus:

Angesichts weiterer 20.000 Soldaten, die jetzt nach Afganistan kommen, einer im August anstehenden Wahl und der Kämpfe, die jetzt im vollen Gange sind, ist das Timing ganz besonders schlecht.

Dass die Veröffentlichung der Bilder bloß ein Timing- und ein Imageproblem wäre, ist nur ein Teil der Wahrheit. Obama verharmlost mit seiner Bemerkung, wonach der demütigende Missbrauch von Gefangenen "in der Vergangenheit von einigen wenigen Personen begangen wurde", einen Skandal. Er kaschiert damit jene Spuren, die bis ganz hinauf in die Bush-Regierung führen. Immer wieder gab es Hinweise, wonach Verantwortliche in der Regierungsspitze sehr wohl von den Vorgängen in Abu Ghraib und anderen Gefängnissen gewusst haben und dies mit ihrer Billigung geschah. Bestraft wurden jedoch nur Untergegebene.

Ein Verdacht gegenüber der Regierung Bush bleibt und viele hätte es auch in diesem Fall wie schon zuvor im Zusammenhang mit den Folter-Memos lieber gesehen, wenn der "Transparency-(Wahl)Kämpfer" Obama dieser Spur gefolgt wäre, statt sie zu verwischen. Der Ärger darüber klingt auch in der Kritik der ACLU und von Vertretern der Human Rights Watch- Organisation ("Der beste Weg, mit der Entrüstung über die Fotos umzugehen, ist die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen") durch. Obama würde sich mit diesem Rückzug zum "Komplizen" der Folter machen, die in den Bush-Jahren verbreitet war, so der ACLU-Anwalt Amrit Singh, der die Freedom of Information Act-Eingabe zur Herausgabe der Bilder vor Gericht gegen die Einwände des Pentagon verfochten hatte.

Laut amerikanischen Zeitungsberichten, die sich auf anonyme Offizielle berufen, würden die Fotos zum einen Schnappschüsse von Misshandlungen an Gefangenen, bzw. Gefangene "in demütigenden Positionen" zeigen, die Soldaten ähnlich wie bei den bekannt gewordenen Fotos aus Abu Ghraib aufgenommen hätten. Zum anderen seien auch Fotos dabei, die von Ermittlern der US-Armee gemacht wurden, um Spuren der Misshandlungen zu dokumentieren. Auch Autopsie-Fotos von Gefangenen, die während ihrer Haft umgekommen sind, sollen dabei sein.