Portugal sucht Rettungsanker in Venezuela

Venezuela und Portugal haben 14 bilaterale Abkommen unterzeichnet, um die Zusammenarbeit zu stärken

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Venezuelas neuer Präsident Nicolás Maduro hat eine positive Bilanz seiner Europareise gezogen. Er ist nach Besuchen in Portugal, Italien und Frankreich nun nach Caracas zurückgekehrt. Vor allem betonte Maduro die Zusammenarbeit mit Portugal, mit dem Land wurden erneut 14 bilaterale Kooperationsvereinbarungen geschlossen. "Wir werden eine Allianz zur Kooperation in der Industrie, Landwirtschaft, Handel und Energie aufbauen", sagte Maduro nach seiner Rückkehr in Caracas. Schon im vergangenen Jahr hatte er, damals noch als Außenminister, ebenfalls 14 Abkommen in den Bereichen Energie, Wohnungsbau, Strom und Technik mit Portugal geschlossen.

Maduro kündigte nach seinem Besuch beim französischen Präsident François Hollande zum Abschluss seiner Reise auch eine "strategische Allianz" mit Frankreich an. Hier geht es ihm vor allem um eine Zusammenarbeit in der Luftfahrt. Venezuela hat drei Flugzeuge von Airbus und 12 Cougar-Hubschrauber für die Streitkräfte gekauft. Auch mit Italien soll die Kooperation verstärkt werden. Mit Staatspräsident Giorgio Napolitano wurde vereinbart eine Arbeitsgruppe aufzubauen und die Zusammenarbeit mit dem italienischen Ölkonzern ENI soll ausgebaut werden.

Konkreter wurde man in Portugal. Angesichts von Lebensmittelengpässen in Venezuela, will Portugal nun auch 100.000 Tonnen Tiefkühlkost liefern. Doch nicht nur in diesem Bereich wird Venezuela für Portugal zu einem Rettungsanker der Exportwirtschaft, die im vergangen Jahr verhinderte, dass das Land noch tiefer in die Rezession stürzte. Obwohl die Exporte 2012 stark wuchsen, erlebte Portugal die tiefste Rezession seit der Nelkenrevolution 1974. Zuletzt gingen im ersten Quartal aber die Exporte wieder um 2,8% im Vergleich zum Vorjahr zurück.

Die Abkommen, die in den Gesprächen mit Regierungschef Pedro Passos Coelho und dem Staatspräsident Anibal Cavaco Silva vereinbart wurden, sind vor allem für die gebeutelten Konservativen wie ein Strohhalm. Daran klammern sie sich angesichts des Hauchs einer neuen Nelkenrevolution und dem wachsenden Unmut im Land. Portugal soll in Venezuela die Autobahn Caracas-La Guaira bauen und am Bau von Hafeneinrichtungen für den Tourismus in mehreren Bundesstaaten beteiligt werden. Neben der Nahrungsmittelversorgung, Infrastruktur und Tourismus, soll es auch Projekte im Bereich des Automobil- und Wohnungsbaus, Müllentsorgung, Gesundheit sowie in der Energieversorgung und im Finanzsektor geben.

In Portugal spitzt sich die Lage für die angeschlagene Regierung weiter zu. Auf der einen Seite steigen die Zinsen für die Staatsanleihen wieder, womit die baldige Rückkehr nach Auslaufen der ersten Nothilfe mit 78 Milliarden Euro wieder fraglicher wird. Die Finanzlage ist so dramatisch, dass die Regierung gegen das Urteil des Verfassungsgerichts Zahlungen an Rentner und Beamte "wegen fehlender Mittel" nicht auszahlen kann. Sie sollen erst im November ausgezahlt werden, um die Troika-Defizitvorgaben für das zweite Quartal nicht zu überschreiten.

Das heizt den Generalstreik am kommenden Donnerstag genauso an, wie die Tatsache, dass die Troika-Prüfer den achten Besuch auf den kommenden Montag vorgezogen haben und sich während des Generalstreiks im Land aufhalten werden. Die Besuche der "Herren in schwarzen Anzügen" mobilisiert dort ungemein, wie sich im März gezeigt hat, als die Empörten-Bewegung mit 1,5 Millionen Menschen 15% der Bevölkerung gegen die Troika mobilisieren konnte. Am Donnerstag werden nun die sonst zerstrittenen Gewerkschaftsverbände mit Einzelgewerkschaften gemeinsam streiken. Es kommt zur Nagelprobe in einem Land, in dem man sich immer klarer auch die Frage stellt, ob man nicht die Zwangsjacke Euro abstreifen sollte.