Das Internet als Todesmaschine

"Daemon" ist der ultimative Internet-Thriller, auf jeden Fall aber eine absolut bösartige Fiktion

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Es ist wohl vermutlich der Internet-Thriller, der nicht nur Marken setzt, sondern dessen Plot so genialisch und bösartig ist, dass er kaum mehr überbietbar zu sein scheint. Der in Kalifornien lebende Daniel Suarez, Systemberater und Softwareberater, schrieb seinen ersten Thriller 2006. Der erschien erst im Selbstverlag und wurde dann zu einem Beststeller. Jetzt kam er als Taschenbuch bei rororo heraus und wird vom Verlag entsprechend reißerisch angepriesen – aber zu Recht.

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Immerhin geht es bei Daemon, so der Titel des Buchs und die Bezeichnung eines Programms, das im Hintergrund läuft, um eine perfide Machtübernahme durch das Internet. Der Böse ist der geniale Computerspielentwickler Matthew Sobol, der an einem Gehirntumor gestorben ist, aber vor seinem Tod hinreichend viel Geld und Ideen gesammelt hat, um posthum einen grotesken Amoklauf im Form eines tödlichen Actionspiels zu veranstalten, der desto gefährlicher ist, weil der Täter eben bereits gestorben ist und nur noch programmierte Software den Ablauf der Geschehnisse organisiert. Schön auch, dass endlich kein böser Terrorist mehr den Superanschlag plant oder die Künstliche Intelligenz die Macht an sich reißt, sondern ein "bad actor", der aber gleichwohl die nationale Sicherheit von vielen Staaten gefährdet. Mit zwei Morden, die über das Internet von Programmen gesteuert werden, beginnt der Thriller. Damit werden die entscheidenden Helfershelfer von Sobol ausgeschaltet, die wissen, wie man den teuflischen Plan beenden könnte.

Die Idee ist simpel, aber einleuchtend. Suarez verzichtet nicht auf Action und auf Klamauk, bleibt aber bei denkbaren technischen Vorgängen. Das Internet lässt sich schwerlich von einem Staat ausschalten, selbst wenn man dies könnte, würden die weltweit verstreuten Programme, eingeschleust auf ungeschützte Rechner, nach dem Neustart wieder beginnen. Sobol hat eine Art "verteilte Scripting-Engine" auf zahlreichen Rechnern eingerichtet, die nicht zentral gesteuert wird. Die Programme durchsuchen das Internet nach Nachrichten, die bestimmte Aktionen auslösen: Telefonanrufe, Befehle an vernetzte Maschinen oder die Anwerbung von Menschen, die nichts zu verlieren haben und die Abenteuer, Macht und Erfolg suchen.

Aus dem Internet heraus werden die tödlichen Aktionen in der wirklichen Welt gesteuert, auf die die Programme wiederum reagieren, sobald in den Nachrichten bestimmte Meldungen, Ereignisse oder Namen auftauchen. Wie in einem Computerspiel ergeben bestimmte Handlungen neue Verzweigungen. Sie machen ein Spiel tief, zumal wenn sie nicht wirklich vorhersehbar sind, sondern wenn die Spieler durch die Situationen manipuliert oder zu bestimmten Handlungen verführt werden. Und das geschieht alles nach dem Ableben des Autors automatisch und scheint für die Akteure, die alle zu Spielern werden, kaum mehr zu unterbrechen zu sein, bis irgendwie das Ende des vorprogrammierten, aber offenen Spiels erreicht ist. Auf jeden Fall ein intelligenter, spannender, realistischer Techno-Thriller, der die Untiefen und Möglichkeiten ausleuchtet, die kluge Individuen mit den neuen digitale "Waffen" ausschöpfen könnten. Und das über unterhaltsame 600 Seiten lang.