Der Frankfurter Pistolenschütze und seine Kontakte

Die Polizei geht von einem islamistischen Anschlag eines Einzeltäters aus

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"Abu Reyyan" alias Arid Uka ist Kosovoalbaner aus der Nähe von Mitrovica. Er wurde am 8. Februar 1990 geboren, lebt aber seit 1991 in der BRD. Er wohnte in Frankfurt-Sossenheim. Seit Januar 2011 hatte er einen auf drei Monate befristeten Aushilfsjob beim Internationalen Postzentrum des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens. Im Internet nahm er an Ego-Shooter-Spielen teil und gilt als "Waffenfan". Auf "Facebook" hatte er eine eigene Seite unter dem Pseudonym "Abu Reyyan", die aber vom Netz genommen wurde.

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Facebook-Seite von Abu Reyyan

Am 2. März 2011 gegen 15.20 Uhr verübte er einen Terroranschlag auf eine Gruppe von 10 bis 15 GIs der US Air Force, die auf dem britischen Fliegerhorst RAF Leakenheath stationiert waren. Vom Flughafen in Frankfurt sollten sie per "Blue Bird"-Bus zur Ramstein AB weiterfahren, um von dort aus zu einem Einsatz nach Afghanistan weiterzufliegen. Arid Uka eröffnete das Feuer auf den Bus am Terminal 2, Bereich E, und tötete dabei den Fahrer und einen weiteren Soldaten im Fahrzeug; zwei andere GIs wurden durch Schüsse in den Kopf bzw. die Brust schwer verletzt. Es ist seit dem Anschlag vom 11. September das erste islamistische Attentat, das in Deutschland "erfolgreich" ausgeführt wurde.

Arid Uka unterhielt über das Internet Kontakte zu Sheik Abdellatif von der so genannten Dawa-Gruppe, der (früher) in der Bilal-Moschee in Frankfurt-Griesheim (Lärchenstr. 78) und in der Falah-Moschee in Frankfurt-Ginnheim (Reinmondstr. 1) predigte und am 22. Februar 2011 vorrübergehend festgenommen worden war. Zumindest die salafistische Bilal-Moschee gilt als Islamistentreff. Mehrere bekannte Islamisten verkehrten in der Moschee.

- Z.N. genannt "Haddid": Als er im Oktober 2009 zu seiner Großmutter nach Afghanistan ausreisen wollte, wurde er am Frankfurter Flughafen vorrübergehend festgenommen und sein Reisepass eingezogen. Das Polizeipräsidium Frankfurt schrieb ihn daraufhin zur "polizeilichen Beobachtung" aus; die Daten wurden anscheinend – routinemäßig – an US-Behörden weitergegeben. Am 8. Januar 2011 wurde N. als "Terrorverdächtiger" von den amerikanischen Streitkräften gefangengenommen und vorrübergehend in Parwan inhaftiert. Nachdem es in der BRD öffentliche Proteste gegen die Festnahme gegeben hatte, bezeichnete die Bundesregierung die Gefangennahme von N. als "Versehen". Das US-Militär ließ ihn daraufhin am 28. Januar wieder frei und übergab ihn der deutschen Botschaft in Kabul.

- Abu Hamza alias O.S.: Im Dezember 2006 wurde er durch Adem Yilmaz für die der Islamische Jihad Union (IJU) rekrutiert. Vom Mai bis September 2007 war er in Pakistan, um eine Ausbildung in einem IJU-Trainingslager zu absolvieren. Dabei brachte er der IJU verschiedene Ausrüstungsgegenstände mit. Nach eigener Darstellung hat er das Trainingslager bereits nach zehn Tagen wieder verlassen, da die Ausbilder seine mangelnde Fitness beklagten. Er wurde am 18. September 2008 in Dietzenbach festgenommen, als er erneut nach Pakistan ausreisen wollte. O. S. wurde am 13. Oktober 2009 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

- Talha" alias Adem Yilmaz: Ab März 2006 absolvierte Adem Yilmaz eine Mudschahed-Ausbildung in dem pakistanischen Trainingslager Mir Ali. Nach der Ausbildung nahm er – zusammen mit Fritz Martin Gelowicz - an zwei Fronteinsätzen teil: Einmal kundschafteten sie ein US-Militärlager aus, bei zweiten Mal waren sie bei einem Raketenangriff auf ein US-Camp dabei. Später gehörte er zur so genannten "Sauerland-Gruppe". Am 4. März 2010 verurteilte ihn das Oberlandesgericht Düsseldorf zu elf Jahren Haft.

- Außerdem predigte in der Bilal-Moschee seit Mai 2003 der Iman Said Khobaib Sadat, ein Mitglied der afghanischen Hezb-i Islami (HIA) von Gulbuddin Hekmatyar, den "Heiligen Krieg".

Gerhard Piper ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).

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Die Polizei geht allerdings bislang davon aus, dass es sich um einen Einzeltäter handelt. Als Islamist sei er nicht bekannt gewesen, er habe sich innerhalb weniger Wochen "radikalisiert" und erst vor kurzem den Namen Abu Reyyan angenommen. Möglicherweise ist er der von Al-Qaida ausgegebenen Strategie eines Open Source Jihad gefolgt, die von dem bekannten und einflussreichen islamische Geistlichen Anwar al-Awlaki propagiert wird. Er soll mit einigen der 9/11-Attentäter in Kontakt gestanden und andere wie den Amokläufer von Fort Hood und Umar Farouk Abdulmutallab zu Anschlägen angestiftet haben. Die Idee des Open Source Jihad ist, dass man keine gefährliche Reise mehr in ein Terrorcamp machen muss, weil man nach den Anweisungen, die etwa in der Online-Publikation Inspire verbreitet werden, überall und als Einzelgänger Angst und Schrecken verbreiten kann. – Florian Rötzer