Ägypten: Schmerzhafte Wirtschaftsreformen in Aussicht

Investoren und Banker hoffen auf eine Regierung aus "Technokraten"

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Ägypten steckt wirtschaftlich in einer schwierigen Situation: Die Arbeitslosigkeit in Ägypten ist seit 2010 von 9 Prozent auf 12,7 gestiegen, die Inflation liegt bei 8.2 Prozent, das ägyptische Pfund habe 22 Prozent seines Wertes verloren. Das Budgetdefizit beträgt 11.7 Prozent.

Die Liquidität an Devisen sei stark zurückgegangen. Der Rückgang des Tourismus wird in diesem Zusammenhang erwähnt (und der die Generäle mit Besitzungen in Touristenzentren schmerzen dürfte), ebenso die Zurückhaltung ausländischer Investoren. Stundenlange Stromausfälle, der Treibstoffmangel, hohe Lebensmittelpreise, geringe Gehälter, Streiks und dass in den letzten Jahren 4.500 Fabriken geschlossen wurden, ohne dass die Gründe bekannt seien, so der frühere Finanzminister, Samir Radwan (bekleidete den Posten interim nach der Absetzung der Mubarakregierung 2011), sind markante Phänomen der Lage, die nun eine neue Regierung aus "Technokraten" verbessern soll. Ein Riesenproblem, mit dem sie zu kämpfen haben wird, so Samir Radwan, wird die Korruption sein, die systematisch sei und mittlerweile so gut wie legalisiert.

Geht es nach Vertretern von Industriezweigen, aus der IT, Unternehmensberatern, Investmentbankern und anderen Wirtschaftsexperten, die eine Nachrichtenagentur nach ihrer Einschätzung befragt hat, so setzt man in diesem Milieu größere Hoffnungen auf die neue Regierung der Fachmänner als auf die vorgängige der Muslimbrüder.

Dass sich neue Chancen ergeben, wird nicht zuletzt damit begründet, dass Saudi-Arabien und die Emirate - beide nicht im Ruf, dass sie mit der MB gute Verhältnisse unterhielten – mit größeren Geldsummen aushelfen. Die Wahrscheinlichkeit sei nun größer, die Gratulationen aus dem Haus Saud und der Emire für den militärisch beförderten Regierungswechsel in Kairo seien schon Stunden später eingetroffen. Zwar hätten die Vereinigten arabischen Emiraten schon 2011 eine Hilfe von 3 Milliarden Dollar versprochen, sie aber nie geleistet. Die Aussichten, dass dies jetzt nachgeholt werde, stünden gut, so Experten.

Auch auf Geld des IWF hoffen die befragten Banker. Ein Kredit in Höhe von 4,8 Milliarden Dollar, der an starke Subventionskürzungen gebunden ist, wurde von Mursi bislang nicht gegengezeichnet. Musri scheute offensichtlich unpopuläre Kürzungen der Subventionen - z.B. für Diesel und andere Treibstoffe -, die insgesamt ein Fünftel der Staatsausgaben ausmachen.

Von der neuen Regierung wird erwartet, dass sie den IMF-Kredit bald zeichnet. ElBaradei, der vom Militär als Oppositionsfüher zu den Lagebesprechungen vor der Absetzung Mursis geladen war, dem Chancen auf einen leitenden Posten in der Regierung eingeräumt werden, hat sich öffentlich wiederholt für den IMF-Kredit ausgesprochen.

Die Regierung, so heißt es aus den Invertsmentkreisen, habe jetzt ein kurzes Zeitfenster, um mit "schmerzhaften Reformen" die Wirtschaft auf den richtigen Kurs zu bringen. Der wirtschaftliche Kurs der Muslimbrüder unterschied sich nicht grundlegend vom Kurs der Mubarakregierung, nur dass dessen Wirtschaftseliten, zu der beispielsweise die Söhne Mubaraks gehörten, von neuen ersetzt wurden (vgl. Mit dem Koran auf neoliberalem Kurs).

Nach der Revolution von 2011 wurden Verfahren wegen Korruption und Veruntreuung gegen Mitglieder der regimetreuen Business-Clique um Gamal Mubarak eingeleitet und Vermögen eingefroren. "Ein Teil der alten Business-Clique verließ in weiser Voraussicht das Land." Dagegen kamen Muslimbrüder frei: Khairat al Shater und Hassan Malek, beide schon zuvor erfolgreiche Geschäftsmänner, die durch von der MB-Regierung profitierten. Gegenwärtig ist ein Haftbefehl auf Khairat al-Shater ausgestellt.