Politiker im Irrgarten der Intelligenz

Mitglieder der Union fordern IQ-Tests für Einwanderer

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Intelligenz hat einen hohen Marktwert. Seit einiger Zeit steht "Intelligenz" ganz oben im Kurs der attraktiven Eigenschaften, die sich Eltern von ihrem Nachwuchs wünschen, Frauen von ihrem Traummann und der Personalchef vom Bewerber. Die Kurzchiffre für den tollen CV, den intellektuellen Sex-Appeal und die Karrierechancen liefert der IQ. Müßig zu erwähnen, dass er umstritten ist. Solche, die cool bleiben, wenn das Gegenüber erwähnt, dass er über 130 hat, sind trotzdem die Ausnahmen. Dies zeigt aber auch: Der IQ ist eigentlich Stoff für Small-Talk; intelligent und genial wird das Thema nicht ohne Grund in Sitcoms behandelt.

Dessenungeachtet liefern Peter Trapp, innenpolitischer Sprecher der Berliner CDU, und CSU-Europaexperte Markus Ferber politisch aufgeladenen Gesprächsstoff zum Thema, der in der Anrisszeile des entsprechenden Artikels der Welt gut zusammengefasst ist und zugleich die Tür für Retourkutschen an die Politiker öffnet:

"Zwei Politiker von CDU und CSU finden, dass Zuwanderungswillige künftig erst einmal ihre Intelligenz unter Beweis stellen sollten."

"Ich bin für Intelligenztests bei Einwanderern. Wir dürfen diese Frage nicht länger tabuisieren", sagte Trapp der Bildzeitung. Sein Argument: Für die Zuwanderung brauche man Kriterien, die dem Staat "wirklich nützen". Daraus folgert er, dass außer einer guten Berufsausbildung und fachlichen Qualifikation auch die Intelligenz Maßstab sein soll.

CSU-Europaexperte Markus Ferber sekundiert dem Unionskollegen: "Kanada ist da viel weiter und verlangt von Zuwandererkindern einen höheren Intelligenzquotienten als bei einheimischen Kindern. Humane Gründe wie Familiennachzug können auf Dauer nicht das einzige Kriterium für Zuwanderung sein."

Eine Art Alien-IQ-Test also, der sich zur endlosen Reihe von IQ-Tests für Manager, Führungskräfte, Katzen, Babys oder Sportler gesellt? Dass sich die beiden Politiker für diesen Publikumswert bei der hoch sensiblen Einwanderungsdebatte stark machen, ist ein Indiz dafür, dass es ihnen weniger um die Sache geht als um Aufmerksamkeit und populistische Effekte. Der Trappsche Nachsatz - "Wir dürfen diese Frage nicht länger tabuisieren" - kann als Beleg dafür dienen. An ihm zeigt sich auch, dass es zumindest Trapp irgendwie dämmert, dass der Einwanderungs-IQ-Test ein "Gschmäckle" hat.

Die Forderung nach einem IQ-Test für Einwanderer, hinter der ein träger und fragwürdiger Intelligenz-und Elitebegriff sitzt, spielt mit Ressentiments, nicht zuletzt rassistischer Art. Wohin solche Übertragungen des Intelligenztests führen können, führte beispielsweise Henry Herbert Goddard, "America's first intelligence tester" vor, der mit seinen Tests wissenschaftlich belegen wollte, dass "alle Immigranten, mit Ausnahme derer, die aus Nordeuropa stammten, eine verblüffend niedrige Intelligenz' aufweisen". Ganz schlecht schnitten bei ihm Ankömmlinge aus Rußland, Juden und Italiener ab. Wie Hans Magnus Enzensberger notiert, wurden "auf Grund seiner Resultate bereits 1913 und 1914 zahlreiche Immigranten deportiert (...) Unter dem Einfluss der Psychometrie beschloß der amerikanische Kongreß in den zwanziger Jahren, die Einwanderungsquoten zu senken."

Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch auf das umstrittene Buch "The Bell Curve" von Herrnstein und Murray, die mit ihrer statistischen Auswertung der Intelligenz einzelner ethnischer Gruppen großes Aufsehen erregten.

Die Bestseller-Politik, wie sie die Unionspolitiker Trapp und Ferber proklamieren, ist - wofür IQ-Test meist stehen - ein gefälliges Selbstporträt, und für die Auseinandersetzung über die Zuwanderung nicht geeignet, weil sie schlichter Selektionspolitik das Wort redet. Und das ist nicht nützlich.