Die "Vervielfältigungsexplosion" beschäftigt die Internet-Enquete

Experten sprechen sich für Modernisierung des Urheberrechtes aus

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Große Einigkeit herrschte bei der gestrigen Anhörung zum Urheberrecht der Enquete-Kommission des Bundestages darüber, dass das Urheberrecht dringend an das digitale Zeitalter angepasst werden muss. "Wir können uns auch zu Tode schützen", warnte Thomas Dreier vom Karlsruher Institut für Technologie.

Gerade im Bereich des user-generated Content kämen Menschen mit dem Urheberrecht in Berührung, die damit gar nicht umgehen könnten. Dreier versuchte dabei auch, den Politikern "utopische Wunschträume" nahezubringen. So schlug er die Schaffung eines "endnutzerfreien Urheberrechts vor", bei dem lediglich kommerzielle Plattformbetreiber in Haftung genommen würden.

Matthias Spielkamp, Journalist und Projektleiter von iRights.info, sieht zudem die Anerkennung für viele Regelungen des Urheberrechts schwinden. Allerdings sei die Kritik am veränderten Nutzerverhalten, etwa die Verwendung von Tauschbörsen, nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Vielmehr sei das Verhältnis zwischen Urhebern und Verwerten ein Problem, erklärte Spielkamp. Dem stimmte auch Peter Tschmuck von der Universität Wien bei. Er kritisierte, dass sich die Stellung der Urheber gegenüber den Verwertern verschlechtert habe. Buyout-Verträge bedeuteten eine kalte Enteignung der Urheber durch die Verwerter, so Tschmuck. Gleichzeitig führe das Urheberrecht zu einer "massiven Unternutzung" von kreativen Leistungen.

Besonderen Handlungsbedarf sahen die Experten bei der Schaffung von einfachen Lizenzierungssystemen, die den Zugang zu legalen Inhalten vereinfachen würden. Karl-Nikolaus Peifer (Universität Köln) sieht hier jedoch die Rechteinhaber als Blockierer. Diese wollten ihre Angebote nicht für andere Anbieter öffnen, da sie mit eigenen Portalen Geschäfte machen wollten, erklärte er. Gleichzeitig wollten sie diese Geschäfte jedoch nicht betreiben, da damit ihre alten Geschäftsfelder obsolet würden. Zudem müsse man sich schnell um Regelungen bemühen, die den Zugriff auf vergriffene und verwaiste Inhalte ermöglichten.

Gerald Spindler von der Juristischen Fakultät in Göttingen wünschte die Einführung eines fair-use-Modells nach dem Vorbild der USA. Aufgrund von europäischen Regelungen sei dies in Deutschland jedoch nur durch die Hintertür möglich, erklärte der Jurist mit Verweis auf das Urteil zur Google-Bildersuche. Laut Spindler macht die Komplexität des Urheberrechts jedoch nicht nur den Endnutzern zu schaffen. Selbst die Verwerter wüssten teilweise nicht, welche Rechte sie nun eingeräumt hätten, weswegen er eine Vereinfachung des bestehenden Rechts anmahnte.