Gewerkschaften zeigen spanischer Regierung die rote Fahne

Am Aktionstag des Europäischen Gewerkschaftsbunds gegen die Sparpläne wollen die spanischen Gewerkschaften das Land gegen die Arbeitsmarktreform lahm legen

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Lange hatten sie sich die großen spanischen Gewerkschaften in den Sozialpaktgesprächen "verarschen" lassen, wie der Chef der Arbeiterunion (UGT) Cándido Méndez inzwischen einräumt. Auf das Einfrieren der Renten und die geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters hatten sie nur mit Demonstrationen reagiert. Nachdem die Regierung auch eine Arbeitsmarktreform per Dekret erlassen hat, ist auch ihnen der Kragen geplatzt. Heute haben sie per Generalstreik zum großen Kräftemessen gegen die Sparreformen der Sozialdemokraten angesetzt.

In zehn Regionen haben sie zudem damit gedroht, die verordneten Minimaldienste nicht einzuhalten, weil in Gesprächen keine Abkommen zustande kamen. Das gilt zum Beispiel für die Hauptstadt Madrid. Hier hat die ultrakonservative Regionalregierung der Volkspartei (PP), in deren Kompetenz der öffentliche Nahverkehr fällt, Minimaldienste von 50% zu den Stoßzeiten verfügt. Es sollen also genau doppelt so viele Busse, Metro und Nahverkehrszüge fahren, wie sie zum Beispiel für Katalonien vereinbart wurde. Von "Missbrauch" sprechen deshalb die Gewerkschaften. José Ricardo Martínez, Chef der Arbeiterunion (UGT) in Madrid, erklärte: "Für die Konsequenzen sind wir nicht verantwortlich."

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Demo in Donostia (San Sebastian). Bild: R. Streck

Die Scheinwerfer sind heute besonders auf Madrid gerichtet. Die Metropole wollen die Gewerkschaften wie Barcelona weitgehend lahm legen. Mit den regionalen öffentlich rechtlichen Fernsehkanälen in Katalonien, Madrid und Andalusien ist das schon gelungen, die entweder ein Notprogramm oder gar nichts ausstrahlen. Stark eingeschränkt sendet auch nur TVE. In Industriegebieten um die katalanische Metropole Barcelona geht zum Teil nichts mehr. In Madrid kam es schon zu den ersten Verletzten und Verhafteten, als die Polizei versuchte Streikposten auseinander zu treiben. Doch es ist dort Streikenden gelungen, Busdepots und Großmärkte zu blockieren und auch der Flugverkehr ist stark eingeschränkt.

Damit haben die Gewerkschaften schon ein wesentliches Ziel erreicht, denn sowohl die konservative Regionalregierung wie auch die Zentralregierung wollten simulieren, als finde praktisch kein Streik statt. Dass es aber nicht zum vollständigen Verkehrschaos kommt, wie beim Metrostreik gegen die Lohnkürzungen im Juni, liegt daran, dass die Beschäftigten der Metro sich nicht so massiv wie damals am Streik beteiligen. Viele Beschäftigte dort sind enttäuscht, dass die großen Gewerkschaften den Streik der Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht unterstützt haben.

Das ist im Baskenland ganz ähnlich. In weiten Teilen ist der Generalstreik hier praktisch nicht existent, obgleich hier mit Streiks nicht selten das Land weitgehend lahm gelegt wird, wie zuletzt am 29. Juni. Die baskischen Gewerkschaften haben schon zwei starke Generalstreiks gegen die Politik der spanischen Regierung durchgeführt und halten es für verspätet, erst heute im Rahmen des Aktionstags des Europäischen Gewerkschaftsbunds ( EGB zu reagieren. Hier sticht aber vor allem Volkswagen in Pamplona heraus, wo die spanischen Gewerkschaften stärker sind. Schon in der Nachtschicht wurden keine Autos mehr gebaut. Auch in größeren Stahlwerken, wie Acelor, geht praktisch nichts. Auch Mercedes und Michelin in Vitoria-Gasteiz mussten die Produktion deutlich drosseln. In den baskischen Innenstädten ist aber von einem Streik praktisch nichts zu spüren.

Es ist der erste Generalstreik gegen den Sozialdemokraten José Luis Rodríguez Zapatero, dem die beiden großen spanischen Gewerkschaften nahe stehen. Insgesamt ist es der siebte Generalstreik seit dem Tod des Diktators 1975. Auch diesmal soll eine Arbeitsmarktreform gekippt werden. Die wurde nun auch von den Sozialdemokraten per Dekret verordnet. Das versuchten 2002 auch die konservativen Vorgänger. Doch die PP musste nach einem Generalstreik ihre Reform fast vollständig zurücknehmen, den es nach ihrer Lesart praktisch nicht gegeben haben soll. Die PP saß, im Gegenteil zur PSOE heute, bis 2004 aber mit absoluter Mehrheit fest im Sattel. Die PSOE-Minderheitsregierung ist aber wegen der schweren Wirtschaftskrise und einer Rekordarbeitslosigkeit von über 20% schwer angeschlagen.

Nur vordergründig geht es bei dem Generalstreik jetzt um die Arbeitsmarktreform, die längst auch als Gesetz das Parlament passiert hat. Insgesamt wird gegen den Sparkurs der Regierung protestiert, die ständig weitere Sozialleistungen kürzt. Dabei hatte Zapatero beim Ausbruch der Krise versprochen, dass dies nicht geschehen werde. Doch die Gewerkschaften werfen ihm vor, dass ausgerechnet die Sozialdemokraten die härtesten Einschnitte in soziale Rechte seit dem Ende der Diktatur vornehmen. Seit unter Spanien das EU-Rettungsnetz aufgespannt wurde, hagelte es die üblichen Maßnahmen, die schon Griechenland und Irland in die Rezession zurückgespart haben.

Der Streik in Spanien reiht sich in den Aktionstag des Europäischen Gewerkschaftsbunds ein. In Brüssel werden heute 100.000 Menschen aus 30 Ländern erwartet. Die Demonstration richtet sich gegen die Sparmaßnahmen in vielen EU-Ländern. "Es darf nicht sein, dass die Arbeitnehmer die einzigen sind, die für die unverantwortlichen Spekulationen einiger Banker zahlen müssen", erklärte der Gewerkschaftsverband.