Alte Tricks und rote Linien im neuen Ägypten

Militärgericht verurteilt Blogger Maikel Nabil Sanad wegen "Beleidigung der Armee" zu drei Jahren Gefängnis

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Die Strafe ist sehr hart. Die Anwälte des Bloggers hatte das Militärgericht zuvor aus dem Gerichtshof geschickt - angeblich unter dem Vorwand, dass man die Entscheidung vertagen würde.

Es geht um die Meinungsfreiheit im neuen Ägypten, das Urteil hat Gewicht, es zeigt an, wieviel Kritik an der Armee möglich ist, wo gegenwärtig die Linien gezogen werden. Maikel Nabil Sanad wurde wegen Beleidigung der Armee verurteilt; Anlass war ein Blogbeitrag, in dem er dem Militärrat wie der Armee unterstellte, dass sie, anders als von ihnen immer wieder bekundet, nicht auf Seiten der Revolution stünden, sondern die Gewaltherrschaft Mubaraks mit alten Methoden, Massenverhaftungen, Folter und Einschüchterung, weiterführten (mehr darüber siehe "Der Diktator ist weg, nicht aber die Diktatur".

Das Urteil ängstigt auch andere Blogger, die sich den Auffassungen Maikel Nabil Sanad und seiner Kritik "in vielen Punkten nicht anschließen", aber darin einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheitsrechte sehen. Was zum Beispiel Zainobia, die das für kritische Einlassungen im Nahen Osten bekannte Blog Egyptian Chronicles führt, schreibt, gilt wahrscheinlich auch für andere Blogger in Ägypten:

"Jetzt bin ich beunruhigt, dass ich mit ähnlichen gerichtlichen Vorwürfen konfrontiert werde, wenn ich etwas über den Militärrat (Supreme Council of the Armed Forces - SCAF) oder die Armee schreibe. Zivilisten sollten sich nicht vor Militärgerichten zu verantworten haben, um Gotteswillen!!"

Maikel Nabil Sanad ist in Ägypten, auch unter Kritikern des alten Regimes umstritten, wegen seiner Haltung gegenüber Israel. Im Herbst letzten Jahres war er als erster Wehrdienstverweigerer publik geworden, sehr zur Freude israelischer Kommentatoren. Von ägyptischen Bloggern, wie Zainobia gab es dagegen Kritik für seine, ihrer Meinung nach, "einseitige Darstellung". Obwohl Maikel Nabil Sanad im Kopf nicht richtig ticke, sei es über die Maßen ungerecht, ihn wegen seiner Äußerung ins Gefängnis zu werfen, so ein Kommentar, der diese Position zusammenfast.

Da das Militärgerichtsurteil gegen Maikel Nabil Sanad noch nicht rechtskräftig ist - weil es erst von Chef des zuständigen Militärdistrikts unterzeichnet werden muss, plädiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nun an die Militärführung, die Vorwürfe gegen den Blogger fallen zu lassen. Nach Angaben von HRW habe man die Anwälte Nabils irregeführt, da man sie am 10.April zu ihren Abschlussplädoyers eingeladen habe und als sie an diesem Tag erschienen, ihnen mitgeteilt habe, dass der Prozess erst am 12. April weitergeführt werde. Gestern erfuhren sie dann, dass das Urteil schon gefällt wurde.

Sein Signal zu den Grenzen der Meinungsfreiheit kommt in einer Zeit, wo die Spannungen zwischen dem Militärrat, der Armee und der Protestbewegung erneut angestiegen sind, wie die Zusammenstöße vom Tahrirplatz am Wochenende zeigten (siehe An account of the army crackdown on Tahrir und Der Platz ist wieder mit uns!).