Schultrojaner-Vertrag

Rechner von Lehrern sollen künftig auf nicht lizenziertes Material durchsucht werden

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Die bayerische Staatsregierung kommt aus den Trojanerschlagzeilen nicht heraus: Für die neuste sorgt ein Vertrag mit Schulbuchverlagen und Verwertungsgesellschaften, der zwar für alle 16 Bundesländer gilt, aber die Unterschrift des bayerischen Kultusministerialdirektors Josef Erhard trägt. Im § 6 Absatz 4 dieses bereits im letzten Jahr beschlossenen "Gesamtvertrags zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG" steht nämlich, dass "den Schulaufwandsträgern sowie den kommunalen und privaten Schulträgern auf eigene Kosten eine Plagiatssoftware zur Verfügung [stellen], mit welcher digitale Kopien von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken auf Speichersystemen identifiziert werden können".

Was sich beim flüchtigen Lesen anhört wie eine harmlose Maßnahme gegen Verguttenbergisierung, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als etwas ganz anderes: Weil Aufsätze in der Schule nämlich nicht mit dem Computer, sondern mit der Hand geschrieben werden, zielt diese Software nicht wirklich auf Plagiate ab, sondern auf Material, das Lehrer verwenden. Und weil das Programm ab dem Februar 2012 auf "jährlich mindestens 1 % der öffentlichen Schulen" zum Einsatz kommen soll, um dort nach "Digitalisaten" zu suchen, spricht Netzpolitik von einem "Schultrojaner", was vom Piraten Klaus Peukert als inflationärer Gebrauchs des Begriff kritisiert wird.

Allerdings ist tatsächlich unklar, inwieweit die Lehrer, die damit ausgeforscht und beim Verwenden von zu viel Text aus Lehrbüchern nicht nur zivil-, sondern auch disziplinarrechtlich belangt werden sollen, vom Einsatz dieser Software erfahren. Ebenfalls fraglich ist, wie solche Programme gestaltet sein sollen, damit sie sich mit dem Arbeits- und dem Datenschutzrecht vertragen. Abgesehen davon dürfte das Bekanntwerden des Vorhabens schon durch die damit verbundenen Unsicherheiten dafür sorgen, dass Lehrer nicht nur Offene_Schulb%C3%BCcher: WikiBooks, sondern auch analoge Medien stärker nutzen und auf digitale verzichten. Ob das die Qualität des Unterrichts unbedingt fördert, ist freilich fraglich.