Gerüchte über Spanien-Nothilfe

Die spanische Regierung spricht wegen Rekordzinsen von einer "extremen Lage", in Griechenland findet offensichtlich ein "Bank Run" statt

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Die Lage in Spanien war nie so ernst wie jetzt. Am Dienstag ist der Risikoaufschlag für spanische Staatsanleihen erneut auf ein Rekordhoch gestiegen. Bei Börsenschluss lag der Spread zu Bundesanleihen auf 488 Basispunkten, 11 Punkte über dem Allzeithoch vom Montag. Am frühen Mittwoch wurde auch das Allzeithoch, das bisher im Verlauf eines Handelstags registriert wurde, mit 507 Punkten übertroffen. Zuletzt war der Aufschlag im vergangenen November auf über 500 Punkte gestiegen.

Damals hatten die sozialistischen Vorgänger vor den Parlamentswahlen einen Hilferuf an Brüssel ausgestoßen und den wiederholten heute die rechten Nachfolger. Hatte der konservative Mariano Rajoy damals den Zinsanstieg der Regierung Zapatero zugeschrieben, will er nun als Ministerpräsident nicht für die Lage verantwortlich sein. Dabei hat er mit seinem wirtschaftlichen Crash-Kurs das Land nun in die Rezession gespart. Die Arbeitslosigkeit feiert trotz (oder wegen) seiner Arbeitsmarktreform immer neue Urstände. Damit werden die Löcher in den Bilanzen der Banken immer größer, weil immer mehr Kredite faul werden, weshalb nun die viertgrößte Bank verstaatlicht wird.

Rajoy macht aber die Debatte um den Austritt Griechenlands aus dem Euro für die Lage verantwortlich. Dabei ist es die Bankenkrise in Spanien, die seit Wochen die Zinsen wieder ansteigen lässt und das Land in Richtung Abgrund treibt. Die Vorgänge um Griechenland beschleunigen die Entwicklung nur, die Gründe sind vor allem hausgemacht.

Da nun spanische Anleihen mit einem Zinssatz von 6,5% gehandelt werden, muss sogar Rajoy einräumen, dass sich das Land angesichts der weiter gestiegenen Verschuldung kaum noch refinanzieren kann. Die Schwelle, an der Griechenland, Irland und Portugal schließlich Nothilfe beantragen mussten, ist praktisch erreicht. "Die Lage ist sehr schwierig, die Risikoprämie ist sehr stark gestiegen, weshalb unsere Refinanzierung sehr schwierig ist", gab Rajoy zu. Er forderte "schlagkräftige" Maßnahmen zur Verteidigung des Euro und der Möglichkeit der Mitgliedsländer, sich zu einem vertretbaren Preis refinanzieren zu können.

Aufkommenden Gerüchten, dass nun auch die Nothilfe für Spanien über die EU-Rettungsschirme vorbereitet wird, trat Rajoy entgegen. Das werde in Gesprächen mit den europäischen Regierungschefs nicht erörtert, sagte er. Doch dabei klingt er wie zuletzt der Portugiese Socrates. "Portugal wird keine externe Finanzhilfe benötigen", hatte auch der noch behauptet, als Portugal zurück in die Rezession rutschte und bald Nothilfe benötigte.

Rajoy hofft, dass die Europäische Zentralbank (EZB) wieder massiv Staatsanleihen kauft. Tatsächlich sank der Spread wieder etwas, als Gerüchte die Runde machten, dass auf der heutigen EZB-Sitzung in Frankfurt auch geldpolitische Entscheidungen getroffen werden, obwohl die nicht auf der Tagesordnung standen. Doch die EZB hat ihr Pulver schon weitgehend verschossen. Zum Aufkaufprogramm hat sie auch die Geldmärkte im Dezember und Februar langfristig mit einer Billion Euro geflutet. Zunächst stellte sich auch der gewünschte Effekt ein, dass die Zinsen auch für Italien wieder fielen. Doch an beiden Ländern hat sich in den letzten Wochen gezeigt, dass der Effekt inzwischen wieder verpufft ist.

Auch die Lage für das sehr hoch verschuldete Italien wird nun wieder sehr gefährlich, denn auch die Risikoaufschläge für Italien wieder über 450 Punkte angestiegen sind, womit die Zinsen über 6% liegen. Damit ist der Zinssatz wieder deutlich über die Marke von 5% gestiegen, die Ignazio Visco, Chef der italienischen Notenbank, als erträglichen Zinssatz für dauerhafte Zinsen genannt hatte. Italien steht mit einer Verschuldung von 120% des Bruttoinlandsprodukts direkt hinter Griechenland. Zudem schrumpft die italienische Wirtschaft noch stärker als die spanische Wirtschaft. Der italienische Schuldenberg von zwei Billionen Euro kann zudem durch keinen Rettungsschirm mehr aufgefangen werden.

In Griechenland findet angesichts der Situation offenbar ein Bank-Run statt. Die Bevölkerung versorgt sich derzeit massiv mit Bargeld, bevor die Euro-Guthaben durch eine mögliche Rückkehr zur Drachme zum Teil aufgefressen werden. In den letzten beiden Tagen sei den Banken durch ungewöhnlich hohe Abhebungen jeweils knapp eine Milliarde Euro täglich abgezogen worden. Zentralbankchef Georgios Provopulos hat inzwischen eindringlich gewarnt. Wenn sich der Trend zu einer Panik ausweitet, kommen die Banken dort schnell massiv in Bedrängnis und es dann dürfte es zu einer Ansteckung auf andere Euroländer kommen.

Gerade hatte Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman vor solchen Szenarien gewarnt. Auch Spanien und Italien könnten sich deshalb bald gezwungen sehen, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, um eine Kapitalflucht ins Ausland zu verhindern und Bargeldabhebungen zu beschränken. Der Euro käme in "Monaten und nicht in Jahren" in Gefahr, meint Krugman.