Frankreich muss Strom importieren

Da viele Atomreaktoren überholt werden, fürchtet die EDF-Filiale RTE einen harten Winter, der Import in einer Dimension nötig macht, für die das Stromnetz nicht ausgelegt ist

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Für 80 Prozent der Stromversorgung in Frankreich sind die Kernkraftwerke verantwortlich. Land und Bewohner gaben sich lange Jahre stolz auf die technischen Errungenschaften und belächelten gerne die Empfindlichkeiten der deutschen Atomkraftgegner, bzw. ignorierten sie. Die Zeiten des phänomenalen Konsens über die nukleare Energieversorgung im Nachbarland dürften jedoch vorbei sein, die Kritik an der Abhängigkeit von den Reaktoren wächst. Zuletzt offenbarte dies die Diskussion über Abfälle aus französischen Reaktoren, die nach Sibirien exportiert werden. Kommt hinzu, dass es seit zwei Jahren immer öfter Meldungen über Pannen, Stör-und Schadensfälle gab, die sich zu kleinen Skandalen auswuchsen.

Zuletzt beunruhigte der Plan der Regierung Sarkozy, die Laufzeit der älteren Atommeiler, darunter pannenfällige Kraftwerke wie Tricastin und Fessenheim von 30 auf 40 Jahre zu verlängern, die Atomkraftgegner.

Dass derzeit etwa 15 ( "une quinzaine") der 58 französischen Atomreaktoren abgeschaltet sind, weil sie gewartet, bzw. Störungen behoben werden müssen, lässt auch die EDF-Filiale RTE (Réseau de transport d'électricité), besorgt in die nächsten Monate schauen: Sollte der Winter lange Zeit frostig werden, so die saisonale Vorausschau des RTE, könnte es zum Äußersten kommen - zur Anwendung "außergewöhnlicher Mittel": Der Strom müsse dann teilweise in "bestimmten Regionen" abgeschaltet werden, damit das Elektrizitätsnetz nicht zusammenbreche.

Höhere Nachfrage, momentan zurückgehendes Angebot an hausgemachter Energie - um die Stromversorgung sei es in diesem Jahr schlechter bestellt als in den Jahren zuvor, so der Bericht der EDF-Filiale, die für das Netz der Hochspannungsleitungen verantwortlich ist und zweimal im Jahr abschätzt, wie sich Stromangebot und -nachfrage entwickeln werden.

Schon jetzt muss Frankreich Strom "aus europäischen Märkten" importieren: 7 770 Megawatt wurden am 10.Oktober von außen geholt, berichtet Le Monde und fügt hinzu, dass es das zu diesem frühen Zeitpunkt bis jetzt noch nicht gab. Da viele französische Haushalte elektrisch beheizt werden, könnte die Nachfrage diesen Winter, sollte er kalt und frostig werden, Rekordwerte erzielen. Die RTE befürchtet, dass man gezwungen sein könnte, bis zu 9 000 Megawatt zu importieren. .

Das missfällt nicht nur wegen der Abhängigkeit von ausländischen Stromversorgern - die man ja durch die Nukleartechnologie verhindern wollte -, das könnte auch das Leitungsnetz an seine Grenzen bringen, da das französische Stromnetz nicht auf Import ausgelegt ist.

"Sollte es über längere Zeit sehr kalt werden - mit Temperaturen, die dauerhaft zwischen 7 und 8° unter den saisonalen Durchschnittswerten bleiben - [...] könnte der benötigte Import 9 000 MW erreichen. Damit wären die Grenzen des französischen Stromnetzes, soweit man sie in der Vorausschau festlegt, unter den allerbesten Umständen erreicht."

Bei außergewöhnlichen, nicht voraussehbaren Zwischenfällen, die die Stromversorgung längere Zeit belasten, werde die Belastungsgrenze schon bei weniger frostigen Temperaturen erreicht, warnt RTE in seiner Prognose und ermahnt die Franzosen dazu, um 19 Uhr, wo der Stromkonsum seinen täglichen Höhepunkt erreiche, besonders auf den Stromverbrauch zu achten.