"Telekommunikations-Dienstleister" verklagt Spreeblick-Blog

Anlass ist ein Gespräch mit einem anonymen Informanten über Arbeitsabläufe in einem Call Center

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Spreeblick sieht sich derzeit mit der Klageeinreichung einer Firma konfrontiert, die sich selbst als "Telekommunikationsdienstleister" bezeichnet. Bereits vor mehr als zwei Jahren hatte das Blog von Johnny Haeusler ein Gespräch mit einer Person veröffentlicht, die behauptete, im Call Center der Firma tätig zu sein. Tatsächlich gab der Interviewte sehr detaillierte und in sich stimmige Informationen von sich, die auf einige Leser auch deshalb einen durchaus glaubhaften Eindruck machten, weil sie darin eigene Erfahrungen bestätigt sahen.

Unter anderem erzählte der Informant davon, dass die Mitarbeiter angewiesen seien, Angebote auch dann zu unterbreiten, wenn sich hinter den gewählten Telefonnummern andere als die in der Datenbank aufgeführten Personen verbargen, was eindeutig eine verbotene "Kaltaquise" wäre. Zudem legte er ausführlich dar, mit welchen rhetorischen Tricks den vorwiegend älteren Angerufenen suggeriert werde, bei dem Anbieter handle es sich lediglich um ein "Sparangebot" der Telekom. Später wiederholte der Zuträger seine im Blog gemachten Aussagen in der RBB-Fernsehsendung Klipp und Klar.

Mehrere Monate versuchte der "Telekommunikationsdienstleister" mittels einer Abmahnung eine Löschung dieses Spreeblick-Artikels zu erreichen, was ihm jedoch nicht gelang. In einer anschließenden Auseinandersetzung ohne Anwalt machte Haeusler der Firma das Angebot, einige Stellen "um eine Gegendarstellung [...] zu ergänzen", was diese jedoch ablehnte. Darauf entschloss sich der Blogger, die konkret beanstandeten Passagen durch XXX-Zensurtags zu ersetzen, "um die etwas lästige und zeitintensive Diskussion zu beenden".

Nun teilte Johnny Haeusler mit, dass das Unternehmen trotzdem eine Klage eingereicht hat, die der Spreeblick Verlag KG in dieser Woche zugestellt wurde. Nicht in Berlin, wo sowohl der "Telekommunikationsdienstleister" als auch das Blog ihren Sitz haben, sondern beim Landgericht Hamburg, das dafür bekannt ist, in solchen Fragen deutlich von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts abzuweichen. Haeusler selbst fasst die bisherigen Folgen dieses Vorgehens wie folgt zusammen:

Nachdem der Artikel seit Monaten kaum gelesen wurde verzeichnet er derzeit wieder stark erhöhte Zugriffe, eine Kopie der ursprünglichen, uneditierten Version ist angeblich auf Wikileaks aufgetaucht. In Blogs und via Twitter wird das Thema diskutiert und auch Fachpublikationen wie 'Werben & Verkaufen' berichten.

Jetzt will er gemeinsam mit seinem Team und einem Anwalt beschließen, wie die Kommanditgesellschaft auf die Klage reagiert. In jedem Fall aber soll das weitere Vorgehen "so gut wie möglich auf Spreeblick dokumentier[t]" werden.