Zum Atom-Gau kommt der Informations-Gau

Update: Hohe Strahlenbelastung des Wassers in den Blöcken 1, 2 und 3: Fukushima weiterhin außer Kontrolle

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Die Informationspolitik der japanischen Regierung und von Tepco ist weiterhin eine Katastrophe. Anstatt wirklich zu informieren, auch über das, was man noch nicht weiß, und Vorsorge zu treiben, wird stets möglichst Optimismus verbreitet, um die Menschen zu beruhigen, indem man darauf setzt, dass man durch Zufall schon aus dem Schlamassel herauskommen wird. Das scheint auch das Vorgehen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zu sein, die gestern noch Optimismus verbreitete und sich auf eine unkritische Wiedergabe der meist spärlichen Angaben seitens des Betreibers und der japanischen Behörden beschränkt. Erst jetzt fordert die japanische Atomsicherheitsbehörde den Betreiber Tepco auf, verlässliche Messdaten aus dem AKW zu liefern. Das ist reichlich spät und zeigt, wie sehr man bei der Verharmlosung unter einer Decke steckt.

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Luftaufnahme von Reaktor 1. Bild: Japanisches Verteidigungsministerium

Während die Menschen in Japan auf den Umgang mit Naturkatastrophen wie Erdbeben vorbereitet wurden, war man offensichtlich fahrlässig gegenüber den Gefahren, die von AKWs ausgehen und hat die Anwohner weder vor noch nach der Katastrophe entsprechend informiert und vorbereitet. Viele der aus der 20- bzw. 30-km-Zone Evakuierten berichteten, sie hätten nie Informationen erhalten, wie sie sich vor Radioaktivität schützen könnten. Man habe ihnen nur immer gesagt, die Anlagen seien sicher. Das erinnert an Deutschland.

Dass nun Tepco den Arbeitern, die durch eine zehntausendfach erhöhte Radioaktivität des Wassers (3,9 Millionen Becquerel pro Kubikzentimeter) mit 180 Millisievert verstrahlt wurden, auch noch vorwirft, nicht genug aufgepasst zu haben, macht das herrschende Informations- und Sicherheitsdilemma nur deutlicher. Noch gestern wurde verbreitet, dass die Strahlung in dem mit MOX-Brennstäben betriebene Reaktor 3 nicht ansteige und der von ihm aufsteigende schwarze Rauch wieder verschwunden sei, obgleich das ein deutlicher Hinweis auf einen Brand im Inneren war. Das Containment galt als nicht beschädigt. Man hatte auch ebenfalls zur Beruhigung abgestritten, dass sich kein Wasser mehr im Abklingbecken befindet, worauf der Leiter der US-Atomsicherheitsbehörde am 16. März hingewiesen hatte.

Obwohl deutlich war, dass die Radioaktivität im Meerwasser und im Boden in der Umgebung des AKWs steigt und sich auch im 220 km entfernten Tokio im Trinkwasser niederschlug, wollte man das Evakuierungsgebiet nicht vergrößern und wies die Menschen im Umkreis zwischen 20 und 30 km nur an, sich möglichst in den Häusern aufzuhalten. Dass die US-Regierung auf der Grundlage der US-Atomsicherheitsbehörde den eigenen Bürgern empfahl, eine Sicherheitsdistanz von 80 km um das AKW einzuhalten, wurde in Japan als völlig übertrieben bezeichnet, könnte sich aber allmählich als durchaus realistische Einschätzung erweisen.

Als die Höhe der radioaktiven Belastung bekannt wurde, begann man erst zu erwägen, die Evakuierungszone auszudehnen. Nach Berichten sind die Menschen, die noch in der 30-km-Zone verblieben sind, nicht nur sehr verunsichert, sondern sie werden auch wegen der Kontamination kaum mehr versorgt. Jetzt werden sie von der Regierung aufgefordert, freiwillig aus der Zone zu gehen, wobei gleichzeitig versichert wird, dass die Strahlenbelastung weiterhin nicht gesundheitsgefährdend sei, was die Verunsicherung bei den Menschen vor Ort, aber auch allgemein nur noch größer werden lässt.

Jetzt räumt man ein, dass Reaktor 3 vermutlich auch beschädigt sein könnte, so dass Radioaktivität nicht nur von den Brennstäben im Abklingbecken, sondern auch von diesem selbst ausgeht. Der mögliche Schaden am Containment wurde vermutlich durch die Explosion verursacht, die sich am 14. März ereignet hat, also vor mehr als 10 Tagen. Dazu kommt, dass auch die Reaktoren 1, 2 und 4 und deren Abklingbecken weiter gefährlich sind, besonders im Reaktor 1 nehmen Druck und Temperatur zu, selbst im Abklingbecken von Reaktor 5 beginnt die Wassertemperatur wieder zu steigen.

Mit dem Besprühen und Bepumpen von Meerwasser war erst einige Tage nach dem Unglück begonnen worden, vermutlich um erst einmal abzuwarten, weil mit der Verwendung von Meerwasser klar war, dass die Reaktoren nicht mehr einsatzfähig sein werden. Gerade erst musste General Electric, der Hersteller der Siedewasserreaktoren, den japanischen Betreiber Tepco darauf aufmerksam machen, dass Salzwasser zur Kühlung nicht geeignet ist, weil das Wasser verdampft, sich Salzkrusten auf den Brennstäben bilden und so der kühlende Effekt geringer wird. In den Abklingbecken dürfte sich schon tonnenweise Salz abgelagert haben, was nun die Situation noch kritischer machen dürfte. Erst nach dem Wochenende soll nun Süßwasser mit Schiffen der US-Marine zum AKW gebracht werden.

Update

: Mittlerweile wird in die Reaktoren 1,2 und 3 nach Angaben von Kyodo Süßwasser gepumpt, In die Abklinbecken wird weiterhin Meerwasser geleitet. Die hohe radioaktive Belastung des Wasser im Turbinengebäude des Reaktors wurde nun auch in den Turbinengebäuden der Reaktoren 1 und 2 gefunden. Angeblich ist noch unbekannt, woher die Radioaktivität stammt. Die japanische Atomsicherheitsbehörde meint nun auch wieder, dass der Pressdurckbehälter von Reaktor 3 doch nicht beschädigt sei. Das Informationsspiel mit vielen Ungewissheiten geht also weiter.