20 Millionen Extrastimmzettel und die Fünfte Kolonne Amerikas

Iran: Die Wut in den Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern lässt nicht nach

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Die Grabenkämpfe in Iran gehen weiter. Der Chefredakteur der Tageszeitung "Kayhan", Hossein Shariatmadari, bezeichnet Mirhussein Mousavi in einem Leitartikel als "Agent Americas" und fordert, dass der unterlegene Präsidentschaftskandidat vor Gericht gestellt werde. Shariatmadari macht Mousavi für eine Reihe "furchtbarer Verbrechen" im Zusammenhang mit den Unruhen in Iran verantwortlich. Er habe "unschuldige Menschen umgebracht, Aufstände angezettelt, mit ausländischen Mächten kooperiert" und somit "als Fünfte Kolonne Amerikas agiert", lautet die Anklage des Chefredakteurs, der vom obersten geistlichen Führer Irans, Ayatollah Khamenei, eingesetzt ist.

Möglicherweise ist der Artikel eine Ankündigung, derzufolge der Kreis um Khamenei ein schärferes Vorgehen gegen Mousavi vorbereitet. Beobachter unterstellen bestimmten Publikationen des Kayhan immer wieder, dass sie den Boden für eine härtere Gangart gegenüber Kritikern vorbereiten. Die Polemik im Artikel, der sich zu anfangs gleich an Studenten richtet, deutet aber auch daraufhin, dass die oppositionelle Bewegung von Regierungsseite nach wie vor als ziemlich vital und ernsthafte Bedrohung wahrgenommen wird, die ein härteres Vorgehen erfordert.

Doch auch Mousavi erhärtet seine Kritik an Ahmadinedschad und dessen Unterstützer, zu denen an erster Stelle Khameini zählt, seit er sich sehr bald nach der Wahl ganz deutlich auf die Seite des offiziellen Wahlsiegers gestellt hat. Nach Informationen der Washington Post und anderer westlicher Medien publiziert ein "Komittee Mousavis" auf dessen Website ein 24-seitiges Dokument, das behauptet, den Beweis für eine Wahlmanipulation größten Ausmaßes zu führen. Unterstützer Ahmadinedschads sollen demnach 20 Millionen Extra-Wahlzettel gedruckt haben und mit Geldzahlungen, Lohnerhöhungen und Nahrungsmittelgaben Stimmen erkauft haben. Mousavis Lager legt zudem die glänzenden Beziehungen und das Netzwerk Ahmadinedschads - über den seit langen Jahren befreundeten Innenminister, den erklärten Unterstützern im Wächerrrat, darunter deren Vorsitzenden, bis hin zu den offen bekundeten Absichten aus dem Kreis der Revolutionswächter, einen Wahlsieg eines anderen auf keinen Fall annnehmen würden - als Indizien vor, die die Plausibilität seines solchen großen Manövers unterstreichen sollen.

Rückhalt in seinem Machtkampf gegen Khamenei und den "tiefen Staat" Ahmadinedschads erhält Mousavi angeblich von einer Gruppe einflussreicher Klerikern aus Qom. Eine prominente Vereinigung von religiösen Forschern und Lehrern aus Qom hat die Präsidentschaftswahl am Samstag als "illegitim" bezeichnet.