Cybercrime? Die Bundesländer suchen nach Antworten - und Personal

IT-Polizist? Kein Traumberuf für IT-Experten, so die Erfahrung von Cybercrime-Abteilungen der Länderpolizeien. Einige Bundesländer wollen nun wie Bayern ihre Cybercrime-Bekämpfungskräfte bündeln, während Bayern mit Personalproblemen kämpft.

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Von
  • Detlef Borchers

Nach dem Vorbild des Freistaates Bayern bietet nun auch Baden-Württemberg die gehobene Dienstlaufbahn für Cyberkriminalisten an und sucht zum 15. April vorerst 15 IT-Experten, die körperlich polizeifit sind und neben einer einschlägigen Fachausbildung drei Jahre Praxiserfahrung vorweisen können. Auch Norhein-Westfalen reagiert auf den gestiegenen Bedarf und bündelt seine Cyberkrime-Bekämpfungskräfte. Derweil kämpft das bayerische Vorbild nach einem Bericht des Behördenspiegels mit Personalproblemen.

Auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamt (BKA) zum Thema Cybercrime ermahnte der bald aus dem Dienst scheidende Behördenleiter Jörg Ziercke die Bundesländer, ihre Anstrengungen bei der Bekämpfung von Cybercrime zu verstärken. Ihnen gegenüber will sich das BKA "zum Cloud-Anbieter für die Polizeien der Bundesländer entwickeln, um eine kostensparende Harmonisierung der polizeilichen Produkte und eine Homogenisierung der Standards zu erreichen." Doch was nützt die schönste Cloud, wenn IT-Experten fehlen?

Ein Blick in die Runde der Bundesländer zeigt ein einheitliches Lagebild. Alle Länder kämpfen mit dem bereits im Jahre 2008 beklagten Problem, dass die Arbeit als IT-Polizist kein Traumberuf für gute IT-Experten ist. Seinerzeit wurden dringend bundesweit 4000 Informatiker für den Polizeidienst gesucht. Von Einstellungen in dieser Zahl ist man weit entfernt.

In Baden-Württemberg stemmt sich die grün-rote Landesregierung gegen die Bedrohungen aus dem Internet und richtet in der Fachabteilung "Cybercrime und digitale Spuren" die Sonderlaufbahn des Cyberkriminalisten ein, die nur Praktikern offen stehen soll. Man dürfe nicht zulassen, dass sich das Internet zu einem rechtsfreien Raum entwickele, wird Innenminister Reinhold Gall (SPD) in einer Pressemitteilung zitiert.

In Nordhein-Westfalen versucht man es mit einer Bündelung der Kräfte beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD), wo 100 IT-Spezialisten arbeiten sollen. Daneben will man IT-Fachleute in allen 47 Kreispolizeibehörden einstellen. Außerdem sollen alle Polizeibeamten eine Fortbildung zum Thema Cybercrime absolvieren. Schließlich gebe es mittlerweile kaum noch eine Straftat, die ohne Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnik begangen werde, wird Innenminister Ralf Jäger (SPD) in der entsprechenden Pressemeldung zitiert.

Was das große Vorbild Bayern angeht, so sollen die Erfahrungen mit der Übernahme von IT-Experten nach einer verkürzten Ausbildungszeit nicht sehr positiv sein. Dies berichtet der Behördenspiegel in seinem noch nicht online verfügbaren Newsletter Nr. 630: "Zahlreiche der Informatik-Studenten, die in das Landeskriminalamt Bayern eingestellt wurden, quittierten mittlerweile ihren Dienst. Andere Vorstellungen und Aufstiegsmöglichkeiten waren dabei das Thema." Die Formulierung deutet darauf hin, dass IT-Experten sich offenbar nicht so einfach in den Polizeialltag integrieren lassen und dank besserer Gehälter eine Anstellung in der Industrie bevorzugen.

Nach Auffassung des Bundes deutscher Kriminalbeamten liegt hier ein strukturelles Problem vor. In der Mitteilung zur BKA-Herbsttagung heißt es, man sei von den Rahmenbedingungen gelähmt: "Forderungen der Behörden, unterstützt von zahlreichen Experten, die Polizei endlich zukunftsfähig zu machen, scheitern regelmäßig, überwiegend an haushalterischen Zwängen." Dies sei widersinnig, weil der durch Cybercrime entstehende wirtschaftliche Schaden weit über den bescheidenen Forderungen der Cyberkriminalisten liege. (jk)