USA erheben neue Vorwürfe gegen Snowden

Edward Snowden nahm eine gut bezahlte Stelle in einem großen russischen IT-Unternehmen an. Unterdessen beschuldigte ein hoher US-Beamter den ehemaligen NSA-Mitarbeiter, von Moskau aus die immer neuen Veröffentlichungen in westlichen Medien zu steuern

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War das Treffen von Edward Snowden mit Hans-Christian Ströbele auch ein Hilferuf des Whistleblowers an Deutschland und Frankreich, ihm eine Ausreise aus Russland zu ermöglichen? Sind die Umstände unter denen der ehemalige NSA-Mitarbeiter in Russland lebt, mit Rund-um-die-Uhr-Bewachung durch den russischen Geheimdienst auf die Dauer kaum erträglich? Oder geht es Snowden darum, mit einer Zeugenaussage in Deutschland eine größere politische Wirkung zu erreichen, als dies bei einer Vernehmung durch deutsche Ermittler in Moskau möglich ist? Über diese Fragen kann man bisher nur spekulieren, denn Snowden selbst hat sich dazu bisher nicht geäußert. Nur eines ist ziemlich sicher: In Russland wird dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter nichts zustoßen.

Für den Kreml ist der Flüchtling Snowden ein politisches Pfund, das man wie einen Augapfel hütet. Und der Kreml macht eine klare Ansage, dass Snowden mit einer Ausreise zu einer Zeugen-Aussage in Deutschland seinen Status als politischer Flüchtling in Russland verliert. Der ehemalige NSA-Mitarbeiter könne sich als politischer Flüchtling in Moskau aber treffen, "mit wem er wolle", erklärte der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, am Sonnabend. Nur werde man dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter "nicht erlauben, den USA zu schaden". Dies war die Bedingung von Wladimir Putin, als er dem Whistleblower im August den auf ein Jahr begrenzten Status eines Flüchtlings gewährte.

Bereits am Freitag hatte die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten russischen Experten berichtet, Snowden könne anstatt nach Deutschland auszureisen eine Delegation der deutschen Staatsanwaltschaft in Moskau empfangen oder Fragen der deutschen Ermittler schriftlich beantworten.

Neue Vorwürfe der US-Adminstration

"Es ist offensichtlich, dass die Tätigkeit von Herrn Snowden in Moskau den nationalen Interessen der USA schadet", erklärte am Sonnabend ein namentlich nicht genannter hochgestellter Vertreter des Weißen Hauses gegenüber der Moskauer Zeitung Kommersant . Snowden spreche den Zeitpunkt der Veröffentlichung von Materialien mit westlichen Medien ab, behauptete der Vertreter des Weißen Hauses, legte aber keine Beweise vor.

Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, widersprach dem Vorwurf. "Die Materialien werden nicht aus Russland verbreitet." Snowden habe bereits mehrmals erklärt, dass er sein gesamtes Archiv in Hongkong westlichen Journalisten übergeben hat und selbst keinen Zugang mehr zu dem Archiv mit Geheimdokumenten habe.

Auch der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew meldete sich zu den neuesten Enthüllungen des Whistleblowers zu Wort. Der Premier erklärte, es sei unvermeidlich, dass Geheimdienst abhören. Er sei aber nicht davon überzeugt, dass das in einer derart "zynischen Weise" geschehen müsse. Dass abgehörte Politiker "gekränkt" seien, könne er "verstehen". Sicher gäbe es Wege um das Problem mit dem Abhören zu lösen. Aber Erklärungen wie: "Wir werden nicht weiter versuchen, sie abzuhören", werde Niemand Glauben schenken.

Hohe Sicherheitsvorkehrungen

Die Sicherheitsvorkehrungen für den ehemaligen NSA-Mitarbeiter seien immer noch sehr hoch, erklärte sein Anwalt Anatoli Kutscherena. Fast täglich höre man von Seiten der USA Aufforderungen, Snowden auszuliefern oder ihn zu ergreifen. Seinen Alltag und seine Arbeit organisiere der ehemalige Mitarbeiter der NSA deshalb nach bestimmten Sicherheitskriterien.

Der Anwalt sagte, Snowden werde Anfang November eine Arbeit bei einem nichtstaatlichen Unternehmen aufnehmen. Um welchen Job es sich genau handelt wurde nicht bekannt. Russische Medien berichteten, dass Snowden vermutlich für vkontakte.ru – ein russisches Netzwerk ähnlich wie Facebook – arbeiten wird.

Wo der berühmte Whistleblower eigentlich lebt, ist auch nach dem Besuch von Hans-Christian Ströbele in Moskau unklar. Nach einer Erklärung des russischen Migrationsdienstes ist Snowden im Moskauer Umland registriert. Anwalt Kutscherena erklärte, sein Mandant reise in Russland, lerne die russische Sprache und sei auch schon im Theater gewesen. In russischen Medien veröffentliche Fotos zeigen Snowden beim Einkaufen und im Zentrum von Moskau mit der Christus-Erlöser-Kirche im Hintergrund. Da Snowden sich für Sport interessiere, werde er versuchen, seinen Mandanten für den Besuch der olympischen Winterspiele zu begeistern, erklärte Anwalt Kutscherena. Noch hat die Öffentlichkeit von Snowden selbst nicht gehört, wie er sich fühlt. So wie es aussieht, sind die Umstände schwierig, aber nicht unerträglich.