Ausweitung der Evakuierungszonen um alle AKWs

Die Strahlenschutzkommission reagiert als Lehre aus Fukushima mit neuen Leitlinien für die Katastrophenschutzbehörden in Deutschland

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Die Strahlenschutzkommission des Bundes hat neue Empfehlungen bei Störfällen in AKWs herausgegeben, die von den Innenministern von Bund und Ländern auf ihrer nächsten Sitzung Anfang Dezember beschlossen werden. Geplant ist, den Radius der sogenannten Zentralzone um ein AKW von zwei auf fünf Kilometer auszudehnen. Die Bevölkerung in diesem Bereich soll im Katastrophenfall innerhalb von sechs Stunden evakuiert werden.

Die folgende, sogenannte Mittelzone soll von 10 auf 20 Kilometer erweitert werden. Die in Windrichtung liegenden Bereiche in dieser Zone müssen nach der neuen Regelung innerhalb von 24 Stunden evakuiert werden. Für die betroffenen Landkreise um die AKWs bedeutet das, dass sie nun neue Katastrophenschutzpläne ausarbeiten müssen, wie die Evakuierung ablaufen und wo Unterkunftsmöglichkeiten vorgesehen werden sollen.

Auch eine mögliche Rückkehr in die alten Wohngebiete soll nach dem Austritt von Radioaktivität eingeschränkt werden. Künftig soll ab einer jährlichen Strahlendosis von 50 Millisievert die langfristige Umsiedelung ohne Rückkehr durchgesetzt werden, bisher lag der Grenzwert bei 100 Millisievert. In Japan liegen die Werte bei 20 Millisievert. Die Strahlenschutzkommission nähert sich also den japanischen Grenzwerten an und zieht erste Konsequenzen aus den Erfahrungen, die in der Region Fukushima gemacht wurden. Als erster Politiker hat dort der Generalsekretär der Liberaldemokraten, Shigeru Ishiba, ausgesprochen, was bisher noch ein Tabuthema gewesen ist, dass nämlich bestimmte Gebiete wegen der radioaktiven Verseuchung niemals wieder bewohnbar sein werden. Bislang wurde den rund 150.000 vor den GAU Geflohenen und Evakuierten noch Hoffnung auf eine Rückkehr gemacht.

Dabei ist es nicht nur so, dass der Fallout der ersten Tage zu den Verseuchungen geführt hatte. Vielmehr geht die radioaktive Kontaminierung kontinuierlich weiter. Zuletzt wurde bekannt, dass auf dem Meeresboden in einem Gebiet von rund 400 Quadratkilometern vor den zerstörten AKWs von Fukushima weitere Gebiete mit hoher radioaktiver Strahlung gefunden wurden. Tepco kündigte an, den Untergrund des Reaktorgeländes jetzt einfrieren zu wollen, um die Ausbreitung des Grundwassers zu stoppen. Die Tiefkühlung muss allerdings jahrezehntelang aufrecht erhalten bleiben und ihre Wirksamkeit überhaupt erst noch erweisen.

Außerdem soll jetzt mit der Bergung der Brennstäbe begonnen werden. Allein im Lagerbecken von Block 4 lagern 1.500 von ihnen. Die Arbeiten sollen am Freitag beginnen. Dass diese Bergung überhaupt möglich erscheint, ist einem glücklichen Zufall zu verdanken. Der Block 4 war nämlich zum Zeitpunkt der Kraftwerkskatastrophe im März 2011 gerade in Revision - alle Brennelemente befanden sich deshalb gerade im Kühlbecken der Anlage, als der Tsunami die Küste erreichte. Allerdings gilt Block 4 als einsturzgefährdet, weil eine Explosion dieses Gebäude besonders stark beschädigte, so dass das Becken noch bis vor kurzem mit defekter Kühlung unter freiem Himmel lag.