50 Jahre Staatsstreich gegen Ngô Đình Diệm

Die US-Regierung ließ einen Diktator fallen

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Vor 50 Jahren wurde der südvietnamesische Staatschef Ngô Đình Diệm gemeinsam mit seinem Bruder Ngô Đình Nhu nach einem Staatsstreich vom 01.11.1963 erschossen. Nationalist Diệm war in den 1950er Jahren ein enger Verbündeter Washingtons gewesen, wo er sich als Gegner von Ho Chi Minh empfahl. Außenminister John Foster Dulles und dessen Bruder CIA-Chef Allen Dulles finanzierten Diệms Kampf gegen den Kommunismus und für "demokratische Wahlen". Diệm gewann 1955 die offensichtlich manipulierte Wahl mit 98,2% der Stimmen, in Saigon erhielt er sogar 135%. Als Präsident führte Diệm eine rechtsgerichtete Diktatur, die Tausende Menschen das Leben kostete. Er stabilisierte seine Macht durch Vetternwirtschaft, Kooperation mit der Opiummafia, Geheimdienste und eine nach dem Vorbild der Hitlerjugend aufgebaute Nachwuchsorganisation. Die CIA lieferte dem Diktator Geld, Waffen und Beratung. 1960 gelang es Diệm, einen Putsch aus Reihen der Militärs abzuwehren.

Katholik Diệm, dessen weiterer Bruder Pierre Martin Ngô Đình Thục als Bischof das Erzbistum Huế in Vietnam führte, wollte zudem die überwiegend buddhistische Bevölkerung zwangsbekehren. Als 1963 buddhistische Mönche an Buddhas Geburtstag dessen Flagge zeigten, ließ Diệm schießen, was weitere Unruhen nach sich zog. Während der "Buddhistenkrise" verbrannte sich im Juni ein Mönch aus Protest öffentlich in Gegenwart eines US-Fotoreporters. Diệms zynische Kommentare hierüber brachten auch die Partner in Washington in Bedrängnis.

Im Weißen Haus beschloss man, dass Diệm "zur Vernunft gebracht" werden müsse. Präsident Kennedy genehmigte ein von Roger Hilsman aufgesetztes Telegramm an den neuen Botschafter Henry Cabot Lodge, in dem dieser aufgefordert wurde, detaillierte Vorstellungen zu entwickeln, wie Diệms Absetzung geschehen könne ( "Hilsman Cable"). Als Problem sah man insbesondere die Positionen von Diệms umstrittenem Bruder Nhu und dessen forscher Frau. Erst seit 2009 erlauben freigegebene Dokumente und Tonaufzeichnungen Aufschluss darüber, wie die Kennedy-Administration agierte. Bei einem Geheimtreffen diskutierte der Nationale Sicherheitsrat, ob man die Putschpläne südvietnamesischer Generäle unterstützen solle. Für Präsident Kennedy und Verteidigungsminister McNamara kam eine Kooperation nur dann infrage, wenn der Staatsstreich auch erfolgreich verlaufe. Für Kennedy war es nach dem Debakel in der Schweinebucht 1961 wichtig, dass die Rolle der USA im Verborgenen bleiben müsse. Im Gegensatz zu CIA-Chef John McCone, der mit Mord nichts zu tun haben wollte, war der konservative Botschafter Lodge Derartigem aufgeschlossen.

Der örtliche CIA-Mann Lucien Conein signalisierte den Putschisten die Vorbehalte gegen eine Ermordung, was diese jedoch erkennbar nicht daran hinderte. Diệm und seinem Bruder gelang während des in der Luft liegenden Putsches zunächst die Flucht durch einen Geheimtunnel. Über eine Rufumleitung täuschte er telefonisch seine Anwesenheit im Präsidentschaftspalast vor. Schließlich bot Diệm telefonisch den Putschisten seinen Rücktritt an. Als er und sein Bruder sich stellten, wurden beide sofort exekutiert. Conein behauptete, die Brüder hätten Selbstmord verübt. Kennedy soll auf die Nachricht mit Entsetzen reagiert haben.

Noch am gleichen Tag machten die Putschisten dem US-Botschafter ihre Aufwartung. Ihnen folgten etliche weitere Juntas, in welche die CIA noch deutlicher involviert war, sowie der Vietnamkrieg. Drei Wochen nach Diệms Ermordung wurde auch Kennedy erschossen.