Merkel demonstrierte am Dagger Complex

Prominente Spaziergängerin in Griesheim

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Als Daniel Bangert vom NSA Spion Schutzbund sich gestern gegen 15 Uhr am Griesheimer Marktplatz einfand, um wie jeden Samstag gemeinsam mit anderen Aktivisten zum "NSA-Spion-Gehege" zu spazieren, staunte er nicht schlecht über das ungewöhnlich hohe Aufkommen an Polizeifahrzeugen. Eine Erklärung lehnten die Beamten zunächst ab, baten ihn jedoch, einen Moment zu warten, da wolle noch jemand mitwandern.

Um 15.03 Uhr knatterte die Luft vom Schmettern eines mächtigen, blauweißen Super-Puma-Eurocopters, der zur Landung auf dem Marktplatz ansetzte. Während das aufgewirbelte Laub und der Rotor zur Ruhe kamen, winkte aus dem Fenster eine freundliche Frau zu Bangert rüber. Die in ein herbstlich weinrotes Kostüm gekleidete Regierungschefin schritt nach dem Ausstieg direkt auf Bangert zu. "Sie sind also der junge Mann, der diese Spaziergänge zum Dagger Complex organisiert, ja?", fragte sie mit einem schelmischen Grinsen.

"Öhm, ja, also ...", stammelte der überraschte Bangert. Hinter Merkel erspähte er den geradezu schüchternen Ronald Pofalla, der sich um ein Lächeln bemühte und Aktentaschen hinter Merkel hertrug. "Fein! Na, dann woll'n wa mal los, wa? Sie kennen ja wohl den Weg!", meinte Merkel und hakte den verduzten Bangert ein.

Ein ungewöhnlicher Tross aus den inzwischen routinierten Spiontouristen und Personenschützern machte sich auf den Weg zum Dagger Complex. Merkel sprach Bangert ihre Hochachtung für seine Courage aus. Er erinnere sie an die Leute, die damals in der DDR den Mut gehabt hätten, dem Überwachungsstaat entgegen zu treten. Sie selbst habe 1989 de Gründungsaufruf des Neuen Forums unterzeichnet. Erstmals hätte sie sich wirklich als souveräne Bürgerin gefühlt. Friedlicher Widerstand gegen die Obrigkeit sei das beste, was die Deutschen in der Geschichte so geleistet hätten. Als sie hörte, wie der Staatsschutz bei Bangert diesen Sommer eingefallen sei, habe sie sich geschämt. Merkel erkundigte sich bei Informatiker Bangert nach fähigen IT-Sicherheitsexperten. So verriet die Kanzlerin, dass sie bereits am Freitag das halbe Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik entlassen habe, zog eine verschwörerische Grimasse und wedelte dabei vielsagend mit ihrem Handy.

Am Dagger Complex schließlich war der Sicherheitsmann am Tor offenbar unvorbereitet. "Schönen Tag, ich bin die Bundeskanzlerin. Dürfte ich mal bitte vorbei?" "Ähm, nein, hier dürfen nur Angehörige der ... , also des ... . Nein, tut mir leid, ich ...".

"Nu' mach dich ma nich so dicke! Wenn du mich nicht vorbeilässt, rufe ich meinen Hubschrauber und hupf einmal über dir drüber! Da kieckste, wa?!"

Nun erschien der amerikanische Standortkommandant und grüßte die Kanzlerin militärisch, die zur Erwiderung kurz ihre Handtasche hob. Hinter dem Kommandanten wurde hektisch telefoniert. Die Gäste hatten allerdings keinen Handy-Empfang, denn der wird auf dem Gelände des Dagger Complex künstlich gestört. Der Militär bat um Geduld, bis er jemand entscheidungskompetentes in Washington erreicht habe.

Während des Wartens hatte Merkel Spaß mit einem Quadrocopter. So ein Ding sei neulich in Dresden vor ihrer Nase gelandet. "Sie hätten mal meinen Oberpersonenschützer erleben müssen, watt der für 'ne Schnute gezogen hat!" amüsierte sich die Kanzlerin. Die ungeduldig werdende Kanzlerin drohte nun scherzhaft mit der Bundeswehr.

Die Militärs fanden das nur halb so witzig. Inzwischen waren am Horizont drei Black Hawks zu sehen, die von der US-Basis in Wiesbaden-Erbenheim aufgestiegen waren. Der Commander beschied die Besucherin, ein Betreten des Geländes komme unmöglich in Betracht. Zwar handele es sich um deutschen Boden, jedoch sehe das NATO Status of Forces Agreement vor, dass die USA die Hausherren seien. Auf dem Gelände würde sensible Arbeit verrichtet werden, welche die Deutschen nichts anginge. Umgekehrt wären die Deutschen ja auch nicht darüber glücklich, wenn man bei ihnen schnüffeln würde. Offenbar war der Mann nicht über die Sache mit dem abgehörten Handy der Kanzlerin informiert.

Merkels Miene verfinsterte sich, und Bangert hätte schwören können, dass es im gleichen Moment in der Umgebung um 10 Grad kälter wurde. Schweigend durchbohrte die Kanzlerin mit ihren stahlblauen Augen den um Haltung bemühten Ami für eine gefühlte halbe Minute. In Zeitlupe führte sie ihre Hand zu einer Parodie eines militärischen Grußes, den die Militärs protokollgemäß zackig erwidern mussten und machte auf dem Absatz kehrt. Es sei ja wohl unglaublich, was die Amis sich hier rausnähmen, fauchte sie. Die verbuddelten sich hier in einem fremden Land, stöpselten sich wie die Stasi in die Leitungen und erklären einem dann, dass man im eigenen Land nicht mal Gast sei. Sie hätte die Faxen dick. Der Obama käme ihr jedenfalls nicht nochmal ins Haus. "Als wir damals der Stasi aufs Dach gestiegen sind, dann hatten die auch fertig! Die waren soo kleen mit Schlapphut! Ich habe nirgends unterschrieben, dass die Ami-Spione hier tun und lassen können, was und wie sie es lustig sind!"

Auf dem Rückweg zum Marktplatz bat Bangert die Kanzlerin, ihm doch das Geheimnis ihrer Merkel-Raute zu verraten. Merkel lachte. Das habe sie sich damals ausgedacht, als sie Obamas Vorgänger George W. Bush empfangen musste. Sie habe sich immer wieder gedacht: "Was für ein Riesen********!", konnte das aber als Diplomatin schlecht sagen und habe ihren Ärger mit dieser Geste privat kompensiert. Beim Abhör- und Drohnenpräsidenten Obama habe sie die Taktik beibehalten.

Zum Abschied klopfte Merkel Bangert auf die Schulter. "Wir brauchen mehr Leute wie Sie, Herr Bangert! Machen Sie weiter! Zivilcourage! Det isset!" Um 16.34 Uhr hob der Helicopter ab und schraubte sich in den Griesheimer Sonnenuntergangshimmel. Die pathetische Szene wurde vom plötzlich auftauchenden Herrn Pofalla unterbrochen, der offenbar während einer Pinkelpause vergessen worden war.