Zu Guttenberg zu geheimen Diensten

Wird „Dr.“ zu Guttenberg neuer „Dr.“ Schneider?

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Wie inzwischen auch ein Sprecher der Bundesregierung bestätigte, empfing am Dienstag Bundeskanzlerin Dr. Angela Dorothea Merkel den Baron Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg zu einem einstündigen Geheimtreffen. Auch der Anlass unterliegt der Geheimhaltung. Allerdings hatte sich Wahlamerikaner zu Guttenberg kürzlich kritisch zur NSA geäußert und eine Entschuldigung von US-Präsident Barrack Obama gefordert, so dass ein Zusammenhang hierzu nicht fern liegt. Während die Kanzlerin eher diplomatische Töne anschlägt, adaptiert der Baron die Rolle des „Bad Cop“.

Im Berliner Blätterwald raschelt es nun sehnsüchtig nach einem Comeback des glamourösen wie glamourös gescheiterten Ministers, denn was im neuen Kabinett ganz sicher fehlen wird, ist Glamour. Neben dem gegenwärtig antichambrierenden Personal würde selbst Boris Becker eine präsidiale Figur machen. Doch nach den Querelen um des Ministers Titelei, die sogar eine ganz passable Komödie inspirierte, wäre eine Rückkehr an den Kabinettstisch nur schwer vorstellbar. Es gäbe in Berlin allerdings eine Aufgabe, die für zu Guttenberg wie geschaffen wäre: Die Präsidentschaft des Bundesnachrichtendienstes.

Der Baron trägt den Geheimdienst schon in den Genen: Bereits sein Großvater Karl Theodor Maria Georg Achatz Eberhart Joseph Buhl Freiherr von und zu Guttenberg beteiligte sich an einem privaten Geheimdienst, der so geheim war, dass man erst nachträglich von dessen Existenz erfuhr. Gemeinsam mit anderen Adeligen, Ex-BND-Leuten und Franz-Joseph Strauß arbeitete zu Guttenberg gegen die Ostpolitik des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt. Über die Pflege von Geheimdienstkontakten zog man in München einen konspirativen Informationsdienst auf, der konservative Politiker und Journalisten mit Kolportagen über die Roten belieferte. Zu den handverlesenen Abnehmern gehörten neben ZDF-Rechtsaußen Gerhard Löwenthal vor allem auch Autoren des Axel Springer Verlags – eine Propaganda-Partnerschaft, die auch Karl-Theodor junior bis zur Karikaturhaftigkeit pflegte.

Als ehemaliger Verteidigungsminister hatte zu Guttenberg bereits den Militärischen Abschirmdienst unter sich gehabt, einen relativ kleinen Geheimdienst. Nun aber könnte der weitgereiste Baron Hausherr im milliardenschweren BND-Neubau werden, einer Trutzburg, die zumindest auf der Rückseite über einen standesgemäßen Wassergraben verfügt. An Qualifikation mangelt es nicht: Als Halbjurist und gelernter Minister bringt zu Guttenberg die nötigen Verwaltungskenntnisse mit, zudem kennen er und seine Frau Stephanie sich mit dem „Tatort Internet“ so halbwegs aus. Der Geheimdienst wäre für den Ex-Politiker auch deshalb attraktiv, da Scheitern und Bluffen in dieser Branche als Normalfall akzeptiert ist, während umgekehrt die bisweilen lästige Öffentlichkeit per Definition draußen bleiben soll.

Als Nachfolger des BND-Gründers General Reinhard Gehlen empfiehlt sich zu Guttenberg aber auch durch eine Seelenverwandtschaft: So litt Gehlen ebenfalls an einem fehlenden Doktortitel. Da man sich seinerzeit im BND aus Gründen der Konspiration nur mit einem Tarnnamen anredete, nutzte Gehlen die Gunst der Stunde und wählte als Künstlernamen das Pseudonym „Dr. Schneider“. Der BND-Chef wurde fortan als „der Doktor“ bezeichnet, seine Dienstvilla auf dem BND-Gelände in Pullach nannte man liebevoll das „Doktorhaus“.