Waren die Trümmerfrauen Nazi-Männer?

In München sorgt die Verhüllung eines Denkmals für einen rechten Shitstorm und erinnert an den rechten Protest gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht

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Seit dem Sommer steht das Denkmal auf dem Marstallplatz im Zentrum Münchens. Es trägt eine Widmung: "Den Trümmerfrauen und der Aufbaugeneration" mit "Dank und Anerkennung". Damit sollten die Männer und Frauen geehrt werden, die nach dem Ende des 2. Weltkriegs den Schutt von den kriegszerstörten Straßen räumte. Schon vor der Aufstellung des Denkmals gab es Kritik unter anderem vom Münchner Stadtarchiv.

Nun hat sich der Streit zugespitzt, nachdem vor einigen Tagen die grünen Mitglieder des bayerischen Landtags - Katharina Schulze und Sepp Dürr - das Denkmal mit einem Tuch verhüllt hatten, auf dem zu lesen war: "Den Richtigen ein Denkmal setzen! Nicht den Altnazis!"

Sie bezogen sich auf eine historische Studie, die nachwies, dass in München männliche NS-Funktionäre auf Befehl der Alliierten die Trümmer von den Straßen geräumt haben.

"Nach Informationen des Münchner Stadtarchivs waren an den Aufräumarbeiten unter den 1.500 Personen in München 1.300 Männer und zu 90 Prozent ehemalige aktive Mitglieder in NS-Organisationen beteiligt. Dieser historisch unbestrittene und seitens der Staatsregierung bestätigte Tatsache wurde im Zusammenhang mit der Aufstellung des Gedenksteins am Marstallplatz in keiner Weise Rechnung getragen", begründet Schulze ihre Kritik an dem Denkmal.

Mythos Trümmerfrauen

Die Diskussion war überfällig und betrifft nicht nur München. Mag dort der Anteil männlicher NS-Mitglieder bei der Trümmerbeseitigung auch besonders groß gewesen sein. Auch in den Städten, in denen tatsächlich vor allem Frauen die Trümmer wegräumten, ist zu fragen, wie hoch dabei der Anteil der Mitglieder von NSDAP oder ihrer Unterorganisationen, wie der NS-Frauenschaft oder dem Bund deutscher Mädel, gewesen ist.

Ferner ist zu fragen, wie viele Trümmerfrauen sich an Ausplünderung von Juden im Nationalsozialsmus beteiligt hatten. Schließlich gab es bei der Versteigerung des Haushaltsinventars der deportieren Juden in vielen Städten großen Andrang. Der Anteil der Frauen war dabei besonders hoch, weil die Männer in der Wehrmacht oder in besonderen Einsatzgruppen in ganz Europa und Nordafrika die deutsche Ordnung in die Welt trugen.

Mit dem Begriff der Trümmerfrauen und der Aufbaugeneration sollte vergessen gemacht werden, was sie vor 1945 gemacht haben. Einer ganzen Generation wurde so Absolution erteilt. Egal, ob sie vor 1945 das NS-Regime am Laufen gehalten haben, vielleicht sogar selbst an Mordaktionen gegen Minderheiten beteiligt waren, nach dem als Stunde Null ausgerufenen Kriegsende fanden sie sich alle unter dem Begriff Aufbaugeneration wieder.

Rechter Shitstorm

Dass dieser Mythos bis in die 1960er Jahre des letzten Jahrhunderts in der BRD wirkungsmächtig war, ist bekannt. Doch dass der Mythos auch heute noch lebt, zeigt der rechte Shitstorm, der nach der Münchner Verhüllungsaktion einsetzte. In der Verteidigung des Mythos von den Trümmerfrauen waren sich sämtliche sonst zerstrittenen rechten Fraktionen einig.

Auch in der rechtskonservativen Jungen Freiheit, die sich um eine Abgrenzung von Neonazi-Rhetorik bemüht, posteten Leser, die beiden Grünen hätten für ihre Verhüllungsaktion Arbeitslager und Schuften im Steinbruch verdient.

Auf Facebook wurde eine Seite zur "Ehrung der Trümmerfrauen" eingerichtet, die auch von Gruppen und Parteien der äußersten Rechten unterstützt wird. Derweil gingen an Grüne in der ganzen Republik Drohmails mit Verweis auf die Münchner Aktion. Dabei wurden auch regionale Themen mit einbezogen.

So tauchte vor der Geschäftsstelle der Grünen im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf ein Transparent mit der Aufschrift "Bündnis 90/Die Grünen – Denkmalschänder" auf. Das Foto der Aktion wurde auf der Facebook-Seite einer Bürgerbewegung Hellersdorf gepostet, welche die Nachfolge einer rechten Bürgerinitiative Hellersdorf angetreten hat, die massiv den Einzug von Geflüchteten in eine Schule in dem Stadt mobil gemacht hatte und damit bundesweit Schlagzeilen machte.

Nachdem der Account der Bürgerinitiative Hellersdorf gelöscht worden war, setzte die Bürgerbewegung Hellersdorf deren Arbeit fort. Die Grünen Hellersdorf hatten in den vergangenen Monaten gemeinsam mit vielen zivilgesetzlichen Gruppen die Geflüchteten in Hellersdorf willkommen geheißen und waren damit in das Visier der Rechten geraten.

Erinnerung an die Verteidigung der Wehrmachtsoldaten

Die Verteidigung von Trümmerfrauen und Aufbaugeneration ist ein Projekt, das die zerstrittene Rechte eint. Es ist kein Zufall, dass die Diskussion von München ausging. 1997 gab es in München die bundesweit größte Demonstration gegen die damals im Rathaus der Stadt präsentierte Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht ( Eine gespenstische Auseinandersetzung um die "Verbrechen der Wehrmacht". Das Spektrum der Beteiligten reichte von Neonazigruppen jeglicher Couleur bis zum CSU-Politiker Peter Gauweiler. Bei der Verteidigung der Trümmerfrauen scheint sich eine ähnlich weitgreifende politische Konstellation zu wiederholen.