"Wir könnten Großbritannien sogar etwas beibringen"

Sein Land sei arm, aber humaner. Der bulgarische Präsident Rossen Plewneliew kritisiert Pläne des britischen Premiers Cameron, präventiv einwandernden Bulgaren und Rumänen von Sozialhilfeleistungen auszuschließen

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In gut einer Woche steht die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch EU-Bürgern aus Rumänien und Bulgarien zu. Sie gehört zu den EU-Grundfreiheiten und gewährt jedem Arbeitnehmer mit einer EU-Bürgerschaft das Recht, ungeachtet seines Wohnortes in jedem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, unter den gleichen Voraussetzungen eine Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben wie ein Angehöriger dieses Staates.

Das Thema ist mit viel politischem Sprengstoff aufgeladen, rechtsnationale Gruppierungen schöpfen daraus Rekrutierungspotential, auch Regierungspolitiker bedienen mit Schlagworten wie "Sozialhilfetourismus" pauschale Feindbildproduktionen. Die Frage, ob den reicheren Ländern in der Mitte der EU nun eine verstärkte Zuwanderung aus Osteuropa ins Haus steht, ist dabei offen. Dessen ungeachtet haben Großbritannien, Holland, Österreich und Deutschland bereits vor vor einer Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien gewarnt.

Insbesondere war es der britische Premier Cameron, der in den letzten Wochen eine deutliche Abwehrposition formulierte. So kündigte er eine ganze Reihe von gesetzlichen Beschränkungen von staatlichen Sozialleistungen an, die Bulgaren und Rumänen nicht zur Verfügung stehen wollen.

Das Spektrum reicht von der Ablehnung von Studentendarlehen, über den Aufschub von Wohngeldzahlungen, bis zum Streichen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe in den ersten drei Monaten nach der Einwanderung; sämtliche Leistungen sollen nach einem halben Jahr gestoppt werden, wenn keine "realistische Aussicht" auf Erwerbstätigkeit bestehe; zudem sollen Obdachlose und Bettler in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Die Botschaft Richtung Bulgarien und Rumänien unmissverständlich.

Nun hat der bulgarische Präsident Rossen Plewneliew darauf reagiert. Via Observer teilte er Cameron mit, dass dessen Politik rechten Nationalisten in die Hände spiele, den Ruf Großbritanniens schädige, das Land isoliere und aus Kurzsichtigkeit gegen traditionenelle britische Werte verstoße. Um dem Ganzen eine Pointe aufzusetzen, fügte Plewneliew hinzu, dass Großbritannien in dieser Beziehung von Bulgarien lernen könne.

"Wir könnten Großbritannien sogar etwas beibringen, eine Lektion erteilen. Als Land, das längst nicht so reich und mächtig ist, konzentrieren wir uns weniger darauf, wie viele nach Bulgarien kommen könnten, sondern wie wir sie integrieren können."

Plewneliew spielte damit auf die Aufnahme von mehreren tausend Kriegsflüchtlingen aus afrikanischen Ländern und vor allem aus Syrien an, die Bulgarien in den letzten beiden Jahren aufgenommen hat. Laut dem bulgarischen Präsidenten sind es über 11.000 Kriegsflüchtlinge, die nach Bulgarien gekommen sind. Dies hat das Land tatsächlich vor enorme Schwierigkeiten gestellt.

Geht es nach Informationen der sozialistischen Partei Großbritanniens, so kann die bulgarischen Flüchtlingspolitik nicht unbedingt als wegweisend bezeichnet werden. Auch dort operiert man mit den üblichen üblen Phänomenen, dem Zusammenpferchen von Flüchtlingen in engen Lagern in der Kälte, ohne Strom und warmes Wasser. Der Zulauf für die ultranationalistische Partei Ataka habe sich in den letzten beiden Monaten verdoppelt, heißt es - die Migrations-und Flüchtlingsprobleme haben keine einfache Lösung, je klarer das wird, desto mehr suchen nach einfachen Rezepten?

In Bulgarien wächst nicht nur die Fremdenfeindlichkeit, die Regierung versucht mit massiven Mitteln die illegalen Grenzübertritte durch erhöhte Polizeipräsenz und schnellere Ausweisung zu senken. Bis Januar 2014 soll dann auch das "logistische Kernstück von Iovtschevs Strategie" fertig sein: ein dreiundreißig Kilometer langer Zaun an der türkischen Grenze ( Fremdenfeindlichkeit in Bulgarien).