Polizeischutz für deutschnationale Quadrille

Auch 2014 betreiben Burschenschaftler mit dem "Akademikerball" in Wien rechtsextreme Traditionspflege. Wie die Polizei "locker und freundlich" bei der Durchführung hilft, untersuchte vorher ein EU-Projekt

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Ungeachtet der zahlreichen Proteste wollen sich national gesinnte Studenten nächste Woche wieder in der Wiener Hofburg zum jährlichen Akademikerball treffen. Als Ausrichter fungierte bis 2012 der "Wiener Korporations-Ring", ein Zusammenschluss extrem rechter Burschenschaften, Landsmannschaften und anderer studentischer Verbindungen. Nachdem die Veranstaltung vor zwei Jahren mit dem 27. Januar auf den Holocaust-Gedenktag fiel, wurden ausländische Medien auf die seltsame Traditionspflege aufmerksam. Erst danach entschied die Wiener Hofburg, zukünftig keine Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Maßgeblich war hierfür vielleicht auch eine Äußerung des FPÖ-Angehörigen Heinz-Christian Strache, der Demonstrationen gegen den Ball mit der Verfolgung der Juden verglich. Die rechtsgerichtete Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) war schon damals in die Vorbereitungen eingebunden. So wetterte auch Andreas Mölzer, EU-Abgeordneter für die FPÖ, gegen den "Rauswurf" und machte darauf aufmerksam, dass die Veranstaltung mit anderen Hofburg-Bällen sogar zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt wurde.

Die Querelen führten zwar zur Aberkennung dieser Auszeichnung, aber keineswegs zum Ende des Balls. Mittlerweile fungiert die Veranstaltung als "Wiener Akademikerball", ein neu gegründeter "Ballausschuss" zeichnet für die Organisation verantwortlich. Hinter dem Netzwerk steckt wohl die Landesgruppe Wien der FPÖ.

Rechtskonservative fordern "Gefahrengebiet"

Für den 24. Januar wird nun wieder in die "prunkvollen Säle" geladen, getanzt werden Walzer und Quadrille, ein elitärer Formationstanz. Immer noch steht das studentische Brauchtum im Mittelpunkt: Der Ball wird als "gesellschaftlicher Treffpunkt von Studentenschaft, Bürgertum, Wirtschaft und Politik" beworben. Zum Streichorchester hinein kommt nur, wer die Kleiderordnung befolgt: Damen haben ein bodenlanges Abendkleid zu tragen, Herren erscheinen im Frack, Smoking oder Uniform. Anzüge des österreichischen Bundesheers wird man aber kaum zu sehen bekommen: Der Verteidigungsminister verbot seinen Untergebenen das Tragen von Uniformen.

Jedes Jahr gibt es Proteste und Demonstrationen gegen das deutschnationale Stelldichein. Wie in Deutschland werden die Versammlungen und Demonstration kurzfristig von der Polizei verboten. Wer dennoch teilnimmt, kann mit einer Anzeige wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" rechnen. Dessen ungeachtet ziehen Protestzüge meist aus mehreren Richtungen zur Hofburg. Die Polizei ist stets mit einem Großaufgebot präsent. Auch dieses Jahr sind bereits Gegenveranstaltungen angelaufen, einige Burschenschaftler beklagen "Tritte auf den Hintern". Die Initiative "Jetzt Zeichen setzen!", die sich dem Gedenken an den Holocaust verschrieben hat, meldet für den Ballabend eine größere Kundgebung an. Ein Bündnis linker Gruppen mobilisiert als "NoWKR" zu einer Großdemonstration. Nicht alle Kulturschaffenden distanzieren sich aber von dem Ball. Unverdrossen wird etwa im bekannten Veranstaltungskalender "wien.at" geworben.

Viele Medien folgen dem Muster, dass daheim alle friedlich sind: Es wird von "gewaltbereiten Demo-Touristen aus dem Ausland" gewarnt. Gemeint sind Mobilisierungen auch in Deutschland. So nimmt es nicht Wunder, dass "Freiheitliche Akademiker" nun medienwirksam die Einrichtung eines "Gefahrengebietes" nach Hamburger Vorbild fordern.

Polizeiforscher kritisieren den Einsatz

Wegen des internationalen Charakters der Gegenaktivitäten hatte sich 2011 ein Forschungsprojekt der Europäischen Union namens GODIAC für die Veranstaltung interessiert. 20 Partner aus 11 Ländern, zumeist Polizeibehörden oder Forschungseinrichtungen, führten mehrere Feldstudien durch. Die ersten beiden Reisen führten zum Castor-Transport im Wendland und zum Ball der Burschenschaftler nach Wien. Ziel des mittlerweile beendeten GODIAC-Projekts war, Wissen über "Demonstranten und Aktivisten, ihre Ideologie, Mobilität und Strategien gegenüber der Polizei" zu sammeln. Als Ausgangspunkt hieß es, die "Internationalisierung" von Protesten stelle eine "große Herausforderung für Polizeibehörden in ganz Europa" dar.

Die Beobachtung der Aktionen gegen den rechtsextremen Burschenschaftsball war von den österreichischen GODIAC-Partnern vorgeschlagen worden. Mittlerweile wurden mehrere Materialien online gestellt, darunter ein Handbuch für die Beteiligten , eine allgemeine Auswertung und ein abschließendes "Manifest".

Nicht veröffentlicht wurde jedoch ein internes Arbeitspapier, das letztes Jahr in einer unfertigen Fassung geleakt wurde. Daraus geht hervor, dass es unter den Polizeiforschern durchaus Kritik am Polizeieinsatz gegeben hatte. Demonstrierende wären im Vorfeld stigmatisiert, Eskalationen dadurch erst provoziert worden: "Sie behandeln und betrachten sie als Feinde, also handeln sie auch so." Dies habe Angriffe auf Polizisten womöglich begünstigt, denn diese würden als das letzte Glied in der Kette der Autoritäten gesehen. Auch das Kaputtmachen öffentlicher Infrastruktur könnte darin begründet liegen.

Gleichsam wundern sich die Polizeiforscher, warum die Veranstalter von Demonstrationen ihre Versammlungen nicht besser bewerben. Das Bündnis NoWKR würde etwa auf einer dunkel gehaltenen Webseite mit "Jedes Jahr die selbe Scheiße!" werben, "gewöhnliche Menschen" dadurch abgeschreckt.

Versammlungsrecht an Kleidung gebunden

Die GODIAC-Teilnehmer konnten Einsatzleiter interviewen und an Besprechungen teilnehmen. Dadurch gewannen sie interessante Eindrücke vom Protest, aber auch dem Einsatzgeschehen. So seien die Ereignisse in einem elektronischen System protokolliert worden, alle Informationen liefen in einer Kommandozentrale zusammen. Von dort habe es einen direkten Draht zum Minister oder dem Kabinettschef gegeben. Es habe jedoch kaum Gespräche zwischen Polizei und Demonstranten gegeben. Demgegenüber sei die Kommunikation mit den Ballbesuchern "locker und freundlich" gewesen.

Im Papier heißt es, dass die Polizei nach dem Verbot der Demonstrationen selbstredend mit kleinen, spontanen Versammlungen rechnete. Scharmützel seien vor allem an der Hofburg zu erwarten, wo die Polizei eine Verbotszone erließ und mit Zäunen und Barrikaden absicherte. Die ausländischen Forscher wunderten sich über diese starke Polizeipräsenz, die demnach bei 1:1 gelegen habe. Das habe den Einsatz zwar erfolgreich gemacht, sei aber mit hohen Kosten verbunden. Die gleiche Anzahl Polizisten habe für den Schutz einer weiter entfernten Demonstration aufgewendet werden können. Damit hätte sich die Polizei Vorwürfe wegen der Aushebelung der Versammlungsfreiheit erspart, auch weitere Eskalationen wären womöglich ausgeblieben. So aber sei die Meinungsfreiheit stark beschnitten worden.

In dem geheim gehaltenen Bericht heißt es weiter, das Recht auf Versammlungsfreiheit gelte wohl lediglich für einen Teil der Demonstranten. Laut der Wiener Polizei würden jene Protestler, die im schwarzen Kapuzenpulli auftauchen, als links und feindselig eingestuft. Für sie würde das Demonstrationsrecht also wegen der Kleidung nicht gelten - eine laut dem Bericht "höchst fragwürdige Prozedur".