Gegen die Ideologie des Regenbogens

Die Gegner einer sexuellen Vielfalt machen mobil und werden von der extremen Rechten und religiösen Fundamentalisten unterstützt

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In den letzten Tagen hat das Outing des Fußballprofis Thomas Hitzlsperger für Schlagzeilen gesorgt und dabei auch wieder einmal klar gemacht, dass es auch in Deutschland mit der Toleranz für sexuelle Vielfalt längst nicht so weit her ist, wie es manchmal scheint, wenn hierzulande die Rechte von Homosexuellen beispielsweise in Russland eingefordert werden.

Auch nach Hitzlspergers Outing raten führende Funktionäre des Deutschen Fußballbundes von einer Nachahmung ab, weil man nicht wisse, wie ein Großteil des Publikums es aufnehmen würde. "Die Furcht vor dem Fan" - so brachte die Taz diese Position treffend auf den Punkt. Doch nicht nur in der oft patriarchalen Welt des Fußballballs ist die Akzeptanz für sexuelle Vielfalt äußerst begrenzt.

"Absolutes Nein zur Frühsexualisierung. Mit diesem Bildungsplan würden noch mehr Stellen für Genderfeministinnen geschaffen, die dann die Buben diskriminieren und lesbische Mädchen entdecken." Dieses Statement ist auf der Kommentarleiste einer Online-Petition von Gegnern des Bildungsplans 2015, eines Reformprojekts der grün-roten Landesregierung von Baden-Württemberg, zu lesen.

Mit der Petition unter dem Titel "Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens" will der konservative Pädagoge Gabriel Stängle verhindern, dass die "Akzeptanz sexueller Vielfalt" als Lernziel an Baden-Württembergs Schulen festgeschrieben wird. Damit sollen Schüler dafür sensibilisiert werden, dass es auch andere Partnerbeziehungen als die zwischen Mann und Frau gibt.

"Schule ist kein Ort für Fundamentalisten"

Das Ministerium für Kultur, Jugend und Sport in Baden-Württemberg kritisiert die Petition scharf:

"Die Petition suggeriert, dass die vorgesehenen Leitprinzipien in ihrer Gesamtheit unter dem Aspekt der sexuellen Vielfalt betrachtet werden sollen. Das ist maßlos übertrieben, da dies lediglich ein Thema unter vielen anderen ist. Zudem macht die Petition nicht nur Stimmung gegen Offenheit und Toleranz, sie zeichnet Zerrbilder und versucht Ängste gegenüber dem neuen Bildungsplan zu schüren. Vollkommen absurd ist eine Behauptung, das Kultusministerium wolle die Schüler pädagogisch und moralisch umerziehen. Eine solche Behauptung und Wortwahl zeigt den dogmatischen Hintergrund der Verfasser. Sie ist unverantwortlich und hat nichts mehr mit einer demokratischen Diskussion zu tun."

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden Württemberg unterstützt die Reform. Sie verweist darauf, dass statistisch gesehen in jeder Klasse zwei Jugendliche schwul oder lesbisch sind.

"Das Wissen um verschiedene sexuelle Orientierungen und Identitäten ermöglicht allen Schülerinnen und Schülern die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und Selbstbestimmung", schreibt die GEW. Die GEW bezeichnet die Petition gegen die sexuelle Vielfalt als diskriminierend und warnt vor Fundamentalisen in den Schulen.

Auch Schülerverbände verteidigen die Reform und verweisen auf die vielfältigen Diskriminierungen, denen Schwule und Lesben ausgesetzt sind. Schließlich gilt der Begriff "schwul" auf vielen Schulhöfen als Schimpfwort. In populären Texten der Jugendkultur finden sich vielfältige Diskriminierungen gegen sexuelle Orientierungen jenseits des Mainstreams.

Vorbild Frankreich

Doch erschreckender sind die Ressentiments der Gegner der Reformen, zu denen auch Rechtsaußengruppierungen und Fundamentalisten verschiedener religiöser Richtungen gehören. Innerhalb kurzer Zeit wurde die Petition von fast 100.000 Menschen unterzeichnet. Angespornt von einer landeswieten rechten Bewegung gegen die sexuelle Vielfalt in Frankreich versuchen sie auch in anderen Bundesländern zu mobilisieren. So machten auch in Nordrhein-Westfalen religiöse Fundamentalisten und Konservative gegen sexuelle Vielfalt im Lehrplan mobil, konnten aber deren Einführung nicht verhindern.