Spanien: Demonstrationsverbot mobilisiert 130.000 Basken

"Das ist kein Ende, sondern erst der Beginn"

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Etwa 130.000 Menschen sind in der bisher wohl größten Demonstration in der baskischen Geschichte am Samstag im baskischen Bilbao auf die Straße gegangen. Demonstriert wurde gegen das Verbot des spanischen Sondergerichtshofs "Audiencia Nacional". Richter Eloy Velasco hatte am Nationalen Gerichtshof den jährlichen Marsch der Angehörigen von Gefangenen der Separatistenorganisation ETA auf Antrag der Regierung und Opferorganisationen verboten, obwohl sein Kollege Pablo Ruz am gleichen Gericht zuvor keine Verbotsgründe sah.

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Screenshot der El Pais

Die im Baskenland regierende Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) einigte sich im Anschluss daran mit der Partei der linken Unabhängigkeitsbewegung Sortu auf einen Aufruf, dem sich alle baskischen Parteien und Gewerkschaften anschlossen. "Menschenrechte, Konfliktlösungsabkommen, Frieden" lautete das Motto, unter dem seit 1999 erstmals wieder PNV und die linke Unabhängigkeitsbewegung zusammenkamen. Der Sprecher der baskischen Regierung Josu Erkoreka bezeichnete das Verbot als "schwerwiegend und unverständlich". Schließlich hätten die Demonstrationen bisher jedes Jahr stattgefunden.

Systematische Rechtsverletzungen

Für den Sortu-Sprecher Pernando Barrena sollte die Meinungsfreiheit und die Rechte der Gefangenen verteidigt werden. Sortu-Präsident Hasier Arraiz erklärte: "Das ist kein Ende, sondern erst der Beginn", den der "Frieden und der Konfliktlösungsprozess muss hier unter den Basken aufgebaut werden". Auf den unerklärten Ausnahmezustand hätte die Bevölkerung in einer außerordentlichen Art und Weise reagiert. Der spanische Staat habe gezeigt, "dass er kein Friedensszenario, Demokratie und Freiheit für das Baskenland will". Er verletze weiter systematisch elementare Rechte.

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Angehörige der Gefangenen fordern Verlegung ins Baskenland. Foto: Ralf Streck

Dass eine gemeinsame Demonstration alle Basken möglich war, dafür war entscheidend, dass die ETA vor gut zwei Jahren das "definitive Ende" des bewaffneten Kampfs verkündet hatte. Für die PNV und andere konservative Kräfte war entscheidend, dass die ETA- Gefangenen zum Jahreswechsel für die Militanten im Untergrund auch den Weg zur Entwaffnung freigemacht haben. Für den baskischen Regierungschef Iñigo Urkullu, war das ein "wichtiger Schritt".

Er kritisierte, dass Spanien so tue, als habe sich nichts verändert. Er kritisierte auch die Festnahmen von Anwälten in der vergangenen Woche. Nach Angaben des spanischen Innenministers Jorge Fernández Díaz sollen die Anwälte die Gefangenen der ETA "kontrolliert und ihrer Tyrannei unterworfen" haben.

Die Gefangenen

Die 600 Gefangenen hatten sich zum Jahreswechsel aber ohne Abstriche hinter den von der baskischen Linken vorangetriebenen Friedensprozess gestellt. Allein mit demokratischen und friedlichen Mitteln sollen die Ziele umgesetzt werden. Bedeutend war für Urkullu auch, dass am Samstag vor einer Woche etwa 100 Ex-Gefangene diese Erklärung unterstützten, die nach einem Urteil des europäischen Menschenrechtsgerichtshof kürzlich freigelassen werden mussten.

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Die Demonstrationsroute war schon vor Beginn überfüllt. Foto: Ralf Streck

Das zeige, dass der "Friedensprozess unumkehrbar ist". Die Gefangenen hatten zudem die "volle Verantwortung" für die Gewalt übernommen und "mit aller Aufrichtigkeit das hervorgerufene Leiden" bedauert. Spanische Regierungen - ob sozialistisch oder konservativ - hatte die Strafen dieser "Hardliner" nachträglich verlängert, um eine Entlassung nach Strafverbüßung zu verhindern.

Spanische PP-Regierung als Propagandamaschine

Die rechtskonservative spanische Volkspartei (PP) und die Sozialisten (PSOE) kritisierten Urkullus PNV scharf dafür, mit Sortu zur Demonstration aufgerufen zu haben. Die PP-Sprecherin im Baskenland Laura Garrido meinte, die PNV "rette" die linke Unabhängigkeitsbewegung. "Mit großer Besorgnis" nahm die PSOE zur Kenntnis, dass sich die baskische Regierungspartei dem Aufruf Sortus angeschlossen habe.

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Die Straßen füllten sich. Die zentrale Forderung: Verlegung der Gefangenen und Flüchtlinge ins Baskenland. Foto: Ralf Streck

Allerdings übte der PSOE-Sprecher José Antonio Pastor auch harte Kritik an der spanischen PP-Regierung. Die gehe mit dem Ende der ETA "sehr schlecht" um. "Sie ist die beste Propagandamaschine für die linke Unabhängigkeitsbewegung", meinte er mit Blick auf die Unbeweglichkeit und die dauernde Repression. Allerdings distanziert sich Pastor von Stadtverordneten seiner Partei, die gemeinsam mit der PNV und Sortu im baskischen Seebad Donostia-San Sebastian die Verhaftung der Anwälte kritisiert hatten.