Afär Bommeleeër: Aus Zeugen werden Angeklagte

Der Bommeleeër-Prozess könnte platzen

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Im Luxemburger "Jorhonnert"-Prozess um die geheimnisvolle Bombenserie Mitte der 1980er Jahre zeichnet sich nicht erst nach sagenhaften 122 Prozesstagen ab, dass etliche Zeugen wohl deutlich verdächtiger als die beiden Elitepolizisten Jos Wilmes und Marc Scheer sind, die auf sehr vager Grundlage wegen seltsamer Äußerungen angeklagt wurden. Nachdem sich Gericht und Staatsanwaltschaft nun ein Jahr lang erstaunliche "Amnesien" und widersprüchliche Geschichten von Zeugen aus Luxemburgs Sicherheitsapparat haben bieten lassen, wird es nun Ermittlungen gegen so manchen Zeugen geben, was auch nach Luxemburger Recht prozessrechtliche Folgen für den laufenden Prozess haben kann.

Vielen galten als die tatsächlich Bombenleger ohnehin der nach Belgien ausgewanderte Gründer der Eliteeinheit, Ben Geiben, sowie dessen verstorbener Nachfolger Jos Steil, der beim Attentat auf den EU-Gipfel im ominösen weißen Audi gesessen haben soll. Mit seinem wirren Aussageverhalten und einem konspirativen Brief an einen der Angeklagten brachte sich der Polizist Marcel Weydert in Schwierigkeiten, dem Andeutungen entglitten:

Allerdings wier sëcherlech och baal den Zäitpunkt komm, wou bestëmmte Personnage aus der ominöser Zäit, souwuel aus der Politik wéi och Institutiounen, géife Foarw bekennen a nët dee "Wischiwaschi" vun Interpretatiounen, Orchestrierungen, Instrumentalisierungen asw, deen se bis elo vun sech gin hun, wann iwerhaapt. Oder sech hanner der ominöser "Raison d’Etat" verstoppen!

Ins Zwielicht geriet auch Polizist Armand Schockweiler, der im Verdacht steht, Beweismittel verbracht zu haben. Auch der damalige Operationschef Charles Bourg, als dessen Sekretär Steil fungierte, machte vor Gericht eine unglückliche Figur. Während er die Frage nach einer eigenen Beteiligung an den Bombenanschlägen empört verneinte, weigerte er sich, zu einer möglichen Verwicklung der Prinzen Stellung zu nehmen.

Am Mittwoch wurde ein weiterer Zeuge, der Gerüchte aufgeschnappt hatte, redseliger: Für eines der Attentate, das der Kanzlei eines bekannten Notars gegolten hatte und daher nicht so recht zu Terroristen passen wollte, bot der Zeuge eine interessante Erklärung: Ein Mitglied der Einheit soll mit der Tochter des Notars eine Affäre gehabt haben, welche diese einseitig beendet hatte, was den Betreffenden zur Explosion gebracht habe. Auch dieser Zeuge machte Andeutungen, dass die Politik und die Monarchie involviert seien, lehnte es aber, derjenige zu sein, der als erster Namen nenne und einen Domino-Effekt auslöse.

Zu den Personen, die der temperamentvolle Starverteidiger Gaston Vogel auf dem Kieker hat, gehört auch der einstige "M" des großherzogtumlichen Geheimdienstes SREL, Charel Hoffmann. Dessen Unterschrift zierte 1985 ein Dokument, das die später von Jacques Santer abgestrittene Kenntnis der Regierung von der Luxemburger Stay-Behind-Zelle "Le Plan" beweist. Nach wie vor sieht Anwalt Vogel die NATO-Geheimtruppe hinter den Anschlägen.

Tatsächlich hatte von den auffällig harmlosen Bömbchen wohl niemand anderes einen Vorteil als die bis dahin gelangweilte Sicherheitscommunity, die nun gefragt war. Insbesondere die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen des für die NATO wichtigen internationalen Flughafens Findel waren zuvor beanstandet worden, bis dort gleichzeitig zwei offensichtlich mit Insiderkenntnis gelegte Bomben hochgingen. Eine weitere Sprengfalle verletzte dort einen Polizisten schwer, ein anderer kam im Zusammenhang mit dem Anschlag durch einen Autounfall ums Leben. Kosten für die Sicherheit waren seither politisch leichter durchsetzbar.