Koalitionsverhandlungen: Fahrverbote als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht

Sie sollen empfindlicher treffen als Geldstrafen und "kriminelle Karrieren möglichst früh stoppen", wie Vertreter der Union und der SPD erklären

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Pläne, das Fahrverbot als Sanktion auszuweiten, gab es immer wieder. So beriet etwa die Justizministerkonferenz der Bundesländer im Jahr 2010 darüber, aus dem Führerscheinentzug eine allgemeine „Hauptstrafe“ zu machen, die unabhängig vom Tatbezug ausgesprochen werden kann. So dass "einem Schläger oder einem Dieb" statt einer Geld- oder Freiheitsstrafe auch der Führerschein entzogen werden kann.

Gerade gegenüber der Jugendkriminalität glaubte man mit dem Fahrverbot ein effektives Abschreckungs- und Sanktionsmittel gefunden zu haben. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger lehnte damals ab.

Jetzt wird es ernst. Nach Informationen der ARD hat sich die Arbeitsgruppe Inneres und Justiz der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD auf "Fahrverbote als Allzweckwaffe" (Tagesschau) geeinigt. Zitiert wird aus einer schriftlichen Vereinbarung der Arbeitsgruppe:

"Um eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion bei Personen zu schaffen, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt, werden wir das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht einführen."

Der Zeitung "Die Welt" gegenüber stellen Unions-Politiker die besondere Wirksamkeit des Führerscheinentzugs heraus. Günter Krings (CDU) freut sich über einen vergrößerten "Instrumentenkasten der strafrechtlichen Sanktionen", Hans-Peter Uhl (CSU) erklärt, dass man damit "möglichst früh kriminelle Karrieren stoppen" wolle, Heranwachsende würden empfindlich getroffen und "zum Nachdenken angeregt".

Etwas gemäßigter gibt sich Michael Hartmann von der SPD. Auf dem Wunschzettel, so Hartmann etwas weihnachtlich, stand das Thema nicht. Aber da "uns Deutschen ist das Auto und das Fahren heilig" sei, könnte die Strafe belehrender wirken als eine Geldstrafe. Für Rainer Wendt, Chef der Polizeigewerkschaft, war es ohnehin "höchste Zeit", den Richtern neue Sanktionsmöglichkeiten in die Hand zu geben.

Bedenken, wie sie 2010 Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger äußerte, "weil, ja gerade das Fahrverbot auf spezifisches Tatunrecht reagiert, so wie wir es in unserem Recht bisher ausgestaltet haben, nämlich auf Delikte, die einen Bezug zum Verkehr, Straßenverkehr haben, oder zur Ausübung der Tat, wenn eben es um ein Fluchtfahrzeug geht, das benutzt wird, oder Ähnliches", wurden zuallererst von den Automobilisten-Vereinigungen, dem ADAC und dem ACE, laut Der ACE-Jurist findet den Vorschlag Tageschau "voll daneben".

Und die Nicht-Führerscheinbesitzer?

"Warum sollen wir den Richtern etwas an die Hand geben, was nur für einen Teil der Menschen überhaupt zur Anwendung kommen kann, nämlich für diejenigen, die ein Auto besitzen, und für andere überhaupt keine Anwendung bringen kann, weil es keinerlei Auswirkung hat?", fragte Leutheusser-Schnarrenberger. Man darf gespannt sein, wie die Antworten jetzt, drei Jahre später, ausfallen.