Strompreis: Wie die Energiewende teuer gerechnet wird

Gewagte Zahlenspielereien sollen der Öffentlichkeit den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energieträger madig machen

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Die Nachrichtenagentur dpa liefert dieser Tage mal wieder ein wunderbares Beispiel, wie in der Debatte über Strompreis und Energiewende mit Halb- und Viertelwahrheiten operiert wird, bis kein Leser mehr weiß, was eigentlich Sache ist. In einem Bericht über ein Papier aus dem neu zugeschnittenen Energie- und Wirtschaftsministerium lässt sie uns wissen, weshalb die "Ökostrom-Förderung" möglichst schnell und radikal beschnitten werden muss:

1. Weil der "Durchschnittshaushalt (...) knapp 220 Euro EEG-Umlage im Jahr" zahlt,

2. weil "bisher durchschnittlich 17 Cent je Kilowattstunde für Windräder, Solar- und Biogasanlagen" gezahlt wird

3. und weil "dieses Jahr (...) rund 23,5 Milliarden Vergütungskosten" anfallen.

Wenn der durchschnittlich Haushalt tatsächlich 220 Euro pro Jahr für die EEG-Umlage zahlt, dann wäre das in der Tat eine ziemlich Menge. Dann würde er nämlich insgesamt eine Stromrechnung von etwa 1050 Euro im Jahr haben. Das mag sein und ist in der Tat ein Haufen Geld für Familien im Bereich der unteren 70 Prozent der Einkommenspyramide. Insbesondere natürlich für Aufstocker und andere Hartz-IV-Empfänger, deren Bedarf nicht an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst wird.

Diese Stromrechnung könnte zum Beispiel verringert werden, indem der Staat darauf verzichtet, auf die EEG-Umlage auch noch die Mehrwertsteuer zu erheben. Das würde eine Entlastung von 41,80 Euro pro Jahr ergeben. Oder der Bundestag könnte mit den Stimmen der großen Koalition beschließen, den Mehrwertsteuersatz auf Strom von den derzeitigen 19 auf sieben Prozent abzusenken. Schließlich ist Energie ja auch so eine Art Lebensmittel. Die Entlastung würde 126 Euro im Jahr betragen.

Man könnte natürlich auch dafür sorgen, dass nicht mehr wie bisher der sinkende Börsenstrompreis zu einer höheren EEG-Umlage führt. Zum Beispiel, indem man die CO2-Zertifikate verteuert oder am besten gleich den Mechanismus anders strickt. Und so weiter und so fort. Der Möglichkeiten, den Strom zu verbilligen, ohne Tempo aus der Energiewende zu nehmen, sind viele. Man müsste nur wollen.

Kommen wir zum zweiten Punkt: 17 Cent je Kilowattstunde. Auf die Idee muss man erst einmal kommen, über alle Anlagen, egal welchen Typs und Baujahrs, zu mitteln. Das ist in der Tat eine PR-Meisterleitung, und man muss eigentlich nur fragen, ob sie dem Meldungs-Schreiber selbst, einer Lobbyagentur der Energiekonzerne oder einem Mitarbeiter des neuen Gabriel-Ministeriums eingefallen ist. Am Mittwoch oder Donnerstag, wenn das Bundeskabinett über Sigmar Gabriels Papier abgestimmt haben wird, über das dpa hier berichtet, ohne seinen Lesern viel Substanzielles mitzuteilen, werden wir mehr wissen.

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Monatliche Vermarktungsmengen und -preise (durch zehn geteilt ergibt den Preis in Cent pro Kilowattstunde). Auffällig sind die relativ geringen Mengen an Windstrom. Rund fünf Sechstel des Windstroms wurden von den Anlagenbesitzern direkt vermarktet. (Bild: Amprion, Tennet, Transnet, 50hertz)

Ansonsten seien einfach die Vergütungszahlen für in den nächsten Monaten errichtete Anlagen noch einmal zitiert: In den ersten fünf Jahren nach Inbetriebnahme gibt es für Windstrom aus einer an Land stehenden Anlage je nach Standort 8,93 bis 9,41 Cent pro Kilowattstunde. Danach wird nur noch 4,87 Cent pro Kilowattstunde gezahlt. Wird eine alte durch eine neue Anlage ersetzt, wird die Vergütung für die ersten fünf Jahre um einen halben Cent erhöht. Für Strom aus PV-Neuanlagen gibt es ab 1. Januar nur noch je nach Anlagengröße 9,47 bis 13,58 Cent. In den nächsten Monaten werden die Vergütungssätze für Solarstrom weiter jeweils zum Monatsersten sinken.

Windkraftanlagen auf See produzieren dagegen teurer: Dort gibt es für die ersten zwölf Jahre eine Anfangsvergütung von 15 Cent pro Kilowattstunde, was sich mit zunehmendem Abstand zur Küste und größerer Wassertiefe noch verlängern kann. Wahlweise können die Betreiber sich auch für eine erhöhte Anfangsvergütung von 19 Cent pro Kilowattstunde entscheiden, die dann aber nur acht Jahre gezahlt wird. In beiden Fällen gibt es danach noch 3,5 Cent pro Kilowattstunde.

Auf den oben erwähnten hohen Durchschnittswert kommt man nur, wenn man auch die teuren Anlagen einbezieht, die vor zwei, drei oder noch mehr Jahren gebaut wurden. Insbesondere die Fotovoltaik hat sich seitdem erheblich verbilligt.

So sehr, dass die EEG-Umlage, wie berichtet, ohnehin eigentlich nicht mehr steigen dürfte. Selbst nicht, wenn an der kontraproduktiven Bindung an den Börsenstrompreis nichts geändert wird. Die oben zitierten 23,5 Milliarden Euro dürften kaum noch überschritten werden, wenn die Summe nicht ohnehin schon für dieses Jahr etwas hoch gegriffen ist.

Wie man hier sehen kann, ist das EEG-Konto, das durch die Umlage ausgeglichen werden soll, mit einem dicken Minus von über zwei Milliarden in das Jahr 2013 gestartet, aber es ist derzeit nahezu auf Null. Das heißt, die Umlage hat im letzten Jahr nicht nur dafür ausgereicht, die anfallenden Kosten abzudecken, sondern auch noch Rückstände aus dem Vorjahr abzutragen. Dennoch wurde sie erhöht, was angesichts der sinkenden Vergütungen für Neuanlagen nicht unbedingt nachvollziehbar ist.

Ohnehin, und damit wären wir beim dritten Punkt, sind diese 23,5 Milliarden keineswegs die Gesamtkosten des Fördersystems, wie immer wieder gerne suggeriert wird. Das bezeichnet lediglich die Summe, die für Vergütungen, Marktprämien, Bürokratiekosten des Stromhandels und des Ausgleichstopfs sowie für die Liquiditätsreserve aufgewendet wird.

(Siehe auch: EEG-Umlage steigt auf 6,3 Cent.)