Polen: Sanktionen gegen die USA?

Seit Anfang der 90er Jahre verlangt das traditionell amerikafreundliche Polen eine visafreie Einreise seiner Landsleute in die USA, wie dies Polen seitdem den US-Bürgern gewährt

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Jetzt erst erhält Warschau für das Verlangen handfeste Unterstützung aus Brüssel. Bis kommenden Montag können Polen, Bulgarien, Rumänien, Zypern und Kroatien bei der Europäischen Kommission Beschwerde einlegen, dass die USA sich nicht an das Prinzip der Gegenseitigkeit halte, was die Einreise angeht. Sollte die USA darauf nicht innerhalb von 90 Tagen auf das Begehren der EU-Staaten eingehen, können diese Visa für US-Diplomaten verlangen. Bei weiterer Nichteinhaltung nach zwei Jahren sogar ein Visumszwang für alle US-Bürger, die in einen EU-Staat wollen. "Wir treffen eine solche Entscheidung, die die Aufhebung des Visa-Zwangs begünstigt", meinte Polens Außenminister Radoslaw Sikorski dazu am Donnerstag diplomatisch-nebulös. Doch grundsätzlich könnte sich Polen Sanktionen gegen die USA vorstellen, schob der Politiker der konservativ-liberalen Bürgerplattform hinterher.

Bei umjubelten Besuchen amerikanischer Präsidenten in Polen war das Thema Visum stets auf der Agenda gewesen, stets gab es vertröstende Worte oder falsche Versprechungen. Zu sehr fürchten die amerikanischen Regierungen ein Zuzug an polnischen Schwarzarbeitern. Doch die langen Schlangen vor der US-Botschaft in Warschau sind seit dem offenen Arbeitsmarkt in den westlichen EU-Ländern Geschichte.

Das polnisch-amerikanische Verhältnis trübte auch der der ungünstige Einkauf der amerikanischen F16-Kampfflugzeuge und der Erwerb der defekten Boeing Dreamliners.

"Wir sind für die Amerikaner Bürger zweiter Klasse", so Jeremi Jedrzejkowski von der konservativen "Rzeczpospolita". Der Journalist der sonst amerikafreundlichen Zeitung begründet sein Urteil unter anderem mit dem Visa-Fragebogen seines letzten USA-Besuchs. Dort wurde gefragt, ob der polnische Antragssteller der Prostitution nachgehe oder ob man in Terrorismus oder Völkermord verwickelt sei.

Spektakulär war auch der Fall des Schwergewichtsboxers Artur Szpilka, der im Januar zweimal nach New York fliegen musste, da er eine Visaformularität in Polen nachholen musste. Seine Fans machen nun den Jetlag und die Behörden dafür verantwortlich, dass er den Kampf gegen Briant Jennings verlor.

Dass ein kleines EU-Mitglied jenseits des Atlantiks für Eindruck sorgen kann, zeigte das selbstbewusste Tschechien. Vor zwei Jahren führte Kanada für das Land die Visapflicht wieder ein, da zu viele Roma mit tschechischem Pass einreisten und Asyl beantragten. Im letzten November hob Ottawa diese Regel wieder auf, da Prag zuvor gedroht hatte, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada mittels Veto zu verhindern.