"Knowing": Durch Zahlencode zum Gläubigen geläutert

Der esoterische und befremdende Katastrophenfilm von Alex Proyas ist inhaltlich ein Propagandafilm der christlichen Rechten

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"Akte X" trifft "Flammendes Inferno", "Independence Day" trifft "Die Bibel". "Knowing" von Alex Proyas ist in jeder Hinsicht aus zweiter Hand, und beginnt wie ein durchschnittlicher Horrorfilm: Zeitreise in die 50er. Damals glaubte jeder Zweite an fliegende Untertassen und das Bermuda-Dreieck. Eine Grundschulklasse bekam die nette Aufgabe, sich die Zukunft in Bildform vorzustellen. Die Zeichnungen sollen im Boden vergraben werden - als Botschaft an die Zukunft. Die meisten der Kinder malten grüne Männchen und Lebensverhältnisse wie bei den "Jetsons". Aber ein kleines bleiches stilles trauriges Mädchen, erkennbar die Klassenaußenseiterin, das sonderbarerweise nicht Kassandra sondern Lucinda heißt, kritzelt statt naiver bunter Bildchen einen irrwitzigen Zahlensalat.

Die wichtigsten Menschheits-Katastrophen zwischen 1959 und 2009

50 Jahre später wird die Büchse mit den Bildern ausgegraben, und an eine Klasse der Jetztzeit verteilt. Lucindas Blatt bekommt ausgerechnet Caleb. Dessen Mutter ist kürzlich gestorben, er durchlebt eine schwierige Phase, und sein Vater John (Nicholas Cage) ist ein ziemlich kopflastiger Astrophysiker am legendären Bostoner MIT (Massachusetts Institute of Technology).

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(Bild: Concorde)

Als er am Abend wieder mal etwas zu tief ins Whiskey-Glas geschaut hat, stellt er es auf dem Zettel Calebs genau so ab, dass der Kreis des Glases die Zahlenkombination 9/11/01 hervorhebt. So entschlüsselt er die scheinbar unzusammenhängenden Zahlenreihen schnell als exakte Angabe der Daten, Orte und Opferzahlen der wichtigsten Menschheits-Katastrophen zwischen 1959 und 2009 - aufgeschrieben wie gesagt 1959. Kein Wunder, dass die meisten Menschen, denen er davon erzählt, glauben, er verliere langsam die Kontrolle über seinen Alkoholkonsum. So weit, so bekannt.

Es gibt keinen Zufall

Die Dramatik kommt in den Film, als John entdeckt, dass zumindest drei Zahlenangaben noch in die Zukunft verweisen, die letzte deutet auf den Untergang der Erde. Aus dem allen bekannten Stereotypen des Genres folgenden Katastrophenthriller wird dann schnell ein mit religiösen Verweisen und Allerwelts-Esoterik gespickter Science-Fiction. Nur, dass es diesmal kein Astereoid ist, der auf die Erde landet. Sondern die hier "Flüstermenschen" betitelten Aliens sind Engel, die im Auftrag des Herren unterwegs sind, um die biblische Schöpfungsgeschichte auf einem fernen Planeten noch einmal beginnen zu lassen - sozusagen nachdem der erste Versuch mit der Erde kläglich gescheitert ist..

Es gibt keinen Zufall. Alles folgt einem übermenschlichen Plan. Diese gewagte Behauptung verbindet Betrunkene, Extremisten und Paranoiker mit manchen Anhängern der anerkannten Religionen. Wenn sie stimmen sollte, dann folgt daraus, dass alles, was geschieht, vorbestimmt ist. Und wie von selbst ergibt sich die Frage, wer dies alles bestimmt hat, wer der mächtige Urheber oder große Programmierer des Welt-Plans sein könnte.

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(Bild: Concorde)

Diese Art von naivem Gottesbeweis ist ganz wörtlich der Inhalt von "Knowing". John ist keineswegs zufällig als Astrophysiker Repräsentant derjenigen Wissenschaft, die einige der stärksten Einwände gegen die Religion formuliert. Er wird zunächst als kalt und wissenschaftsgläubig dargestellt, als Unsympath. Zu Anfang des Film sieht man ihn, wie er mit Studenten die Quantenphysik diskutiert und eine "Theorie des Zufalls" verteidigt...Durch die Erfahrungen mit dem Zahlencode wird er dann zum Gläubigen geläutert.

Wissenschaftsfeindlich, antimodern und gegenaufklärerisch

Man kann an "Knowing" das Stilbewusstsein des Regisseurs schätzen, seine Fähigkeit, die Filmsprache und den existentiellen Pessimismus des Film Noir auf die Gegenwart zu übertragen. Im Gegensatz zur Hollywood-Konvention wartet "Knowing" nicht mit einem einfachen Happy-End auf. Irritierend ist das betont "intensive" Spiel von Nicholas Cage, das gerade in vermeintlich "ernsten" Passagen besonders lächerlich wirkt. Inhaltlich aber wirkt der Film, als hätten christliche Fundamentalisten und reaktionäre Kreationisten das Drehbuch verfasst: Wissenschaftsfeindlich, antimodern und gegenaufklärerisch ist dies ein Propagandafilm der christlichen Rechten.