21 Linkspartei-Abgeordnete verhinderten Neskovics Wahl

Hätten alle seine Fraktionskollegen für ihn gestimmt, dann könnte der parteilose Bundesrichter weiter Geheimdienste überwachen

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Am Donnerstag erreichte der von der Linkspartei für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) nominierte Bundesrichter Wolfgang Neskovic statt der notwendigen 312 lediglich 294 Stimmen. Der Linkspartei-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi sprach daraufhin von einer "grandiosen Unverschämtheit" der Unionsfraktion, deren Abgeordnete Neskovic entgegen des parlamentarischen Brauchs aufgrund ihrer "ideologischen Ablehnung der Linken" um seinen Posten gebracht hätten. Gysi bezog sich offenbar darauf, dass Mitglieder von CDU und CSU bei der Wahl der Bundestagsvizepräsidenten im Herbst 2005 den Linkspartei-Kandidaten Lothar Bisky entgegen der Tradition durchfallen ließen und dies mit dessen Vergangenheit begründeten.

Bei dem parteilosen Richter aus dem Westen lässt sich kein Material für solche Vorwürfe finden: Der stellvertretende Vorsitzende des Rechtsausschusses war 15 Jahre lang SPD-Mitglied und 12 Jahre Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen in Schleswig-Holstein. Bekannt wurde er 1994, als ein von ihm formulierter Vorlagebeschluss des Landgerichts Lübeck an das Bundesverfassungsgericht zu 8080/tools/ainfo.exe?Command=ShowPrintVersion&Name=bv090145: Änderungen in der Bestrafungspraxis für den Besitz geringer Mengen Marihuana führte. 1995 schloss er sich den Grünen an, deren Führung er im Zusammenhang mit dem Kosovokrieg scharf kritisierte. 2005 verließ der mittlerweile zum BGH aufgestiegene Richter auch diese Partei und zog er auf einer offenen Landesliste der Linken in den Bundestag ein.

Allerdings machte sich der Jurist, der bereits in der letzten Legislaturperiode im PKGr saß, durch einen aus Sicht mancher seiner Kollegen übertriebenen Arbeitseifer und eine kritische Haltung zur Arbeitsweise des ausschussähnlichen Gremiums Feinde. Nach einem Praktikum beim Bundesnachrichtendienst (BND), das er aus eigener Initiative absolvierte, um sich ein besseres Bild von dessen Funktionsweise machen zu können, meinte Neskovic öffentlich, die PKGr-Mitglieder hätten "nicht den blassesten Schimmer, was die 6000 Mitarbeiter des Dienstes tun". Weil die Dienste "Umfang und Ausmaß" ihrer Kontrolle bestimmten sei die bisherige Praxis ein "Placebo" und eine "Irreführung der Öffentlichkeit". Sein Fazit gipfelte schließlich in der Feststellung, dass man "das Kontrollgremium in der vorhandenen Form gleich abschaffen" könne, wenn man Abgeordnete nicht mit wissenschaftlichen Mitarbeitern ausstattet und ihnen die Erlaubnis gibt, konkrete Missstände öffentlich anzuprangern.

Es ist durchaus wahrscheinlich, dass viele Unionsabgeordnete am Donnerstag nicht für Neskovic stimmten - jedoch wäre er gar nicht auf die Stimmen dieser Unionsabgeordneten angewiesen gewesen, wenn alle Linkspartei-Abgeordneten für ihn votiert hätten. Denn 21 Abgeordnete dieser Fraktion waren angeblich gar nicht anwesend. Hätten sie an der Abstimmung teilgenommen, dann hätte ihr Kollege mit 315 Stimmen die nötige Mehrheit erreicht. Möglicherweise auch vor diesem unausgesprochenen Hintergrund kündigte Gysi an, Neskovic bei der nächsten PKGr-Wahl im Januar erneut zu nominieren.

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Wolfgang Neskovic auf der Grundgesetzkonferenz 2009 in Leipzig (Bild: Die Linke Sachsen. Lizenz: CC-BY 2.0)