Die Schreckensinsel der Zombies

Eine Zombie-Avatar-Sammlung im Internet, Londoner Jugend-Gangs und Untote bei den Fantasy-Filmfest-Nights

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Die zweiten fünf Filme der Berliner Fantasy-Filmfest-Nights (siehe dazu Der Horror zu überleben) standen ganz im Zeichen des Monströsen, das sich einmal in einer Zombie-Avatar-Sammlung im Internet, einmal in Londoner Jugend-Gangs, dann als Untote bei Tag und Nacht und schließlich als Geisterkind aus der Vergangenheit zeigte.

Internet & Familienpolitik

Der japanische Anime "Summer Wars" von Mamuro Hosoda, der 2006 den international erfolgreichen "The Girl who Leapt Through Time" veröffentlicht hatte, versucht familiäre Tradition und technischen Fortschritt unter einen Hut zu bringen: Während einer der Administratoren der Web-Community "OZ" ein paar Tage bei einer Freundin und deren Familie auf dem Lande verbringt, verschafft sich ein Hacker über seinen Account Zugriff auf die Avatare von Millionen "OZ"-Usern. Da das Netzwerk nicht nur für soziale Kontakte, sondern auch für verschiedene Infrastrukturen (vom Straßen-Verkehr über die Wettervorhersage bis hin zu militärischen Zwecken) genutzt wird, besteht schon bald größte Gefahr für die Menschheit. Unser kleiner Hacker versucht nun mithilfe eines berüchtigten Kämpfer-Avatars und seiner Gastfamilie den Kampf gegen das immer größer werdende virtuelle Monster aufzunehmen.

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(Bild: www.fantasyfilmfest.com)

Sieht man einmal von der (für westliche Augen) reaktionären Familien- und Frauen-Darstellung des Films ab - und es geht hier offenbar wirklich zuvorderst um die Stärkung des Familienbildes in der von sozialer Atomisierung bestimmten Moderne - offenbart sich vor allem in den kitschigen und von Mystifikation und verspielter Technomanie bestimmten Bildern des Internets (das den Namen "OZ" wohl nicht ohne Grund trägt) eine interessante Konstruktion: Eine Welt voller Gadgets und Applikationen, die in ihrer Komplexität und Kompliziertheit nur noch von Experten wirklich verstanden wird, fordert eine symbolische Aneignung förmlich heraus. Dass hier jeder - selbst die Greise und Kleinkinder - über webfähige Handys oder Nintendo-DS-Handhelds verfügt und sich ein Virus wie der dargestellte, einfach wie in einem Pokemon-Turnier beseitigen lässt, scheint ein sehr treffendes Bild für diese Wiederaneignung zu sein. Die funktioniert allerdings wohl nur in der Fiktion. Schade, dass Hosoda sich nicht auf dieses Thema konzentriert, sondern es lieber für seine Familienpolitik verformt hat.

Gang Stabbing & Dämonen

Der britische Regisseur Philip Rodley hat seit 14 Jahren nichts mehr von sich sehen lassen. Nach "The Reflecting Skin" und "The Passion of Darkly Noon" hat er jetzt seinen neuen Film "Heartless" fertiggestellt. Darin erzählt er die Geschichte des etwa 20-jährigen Jamie, der seit seiner Geburt ein großes Feuermal im Gesicht trägt, weswegen er ständig auf der Straße beleidigt wird und kaum soziale Kontakte besitzt. Zeitgleich machen Jugendbanden die Londoner Nächte unsicher: Sie ziehen mit Molotow-Cocktails los, mit denen sie wahllos Passanten verbrennen. Als Jamies Mutter Opfer eines solchen Angriffs wird, plant er zunächst Rache, wird dann jedoch von einem Mann umgestimmt, der ihm anbietet ihn für einen kleinen Gefallen von seinem Feuermal zu befreien. Dass sich dieser Gefallen als grausamer Ritualmord herausstellt, ist nicht das einzige Indiz, das den Handelspartner als dämonisch ausweist. Jamie kann sich ihm allerdings nicht entziehen.

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(Bild: www.fantasyfilmfest.com)

Liest man den fantastischen Plot des Films einmal als Parabel, die das Dämonische des zeitgenössischen urbanen London ins Fantastische kodiert, erkennt man schnell den eigentlich sozialkritischen Impetus des Films: Die Dämonenhorden in "Heartless" finden ihre Entsprechung in den Jugend-Gangs, von denen man immer wieder liest, dass sie wahllose Stabbing-Attacken ausüben. Rodley zeigt uns London von seiner düstersten und dreckigsten Seite. Die sozialen Kontakte, die hier noch möglich sind, erweisen sich als fragil oder unecht. Sich quasi mit dem Teufel als Handelspartner einzulassen, um etwas - wenn auch kurzfristiges - Glück zu erleben, erscheint dem Protagonisten wie auch dem Zuschauer vor diesem Stadtbild als echte Alternative.

Die Schreckensinsel der Zombies

George A. Romero hat mit "Survival of the Dead" seinen nunmehr sechsten Zombiefilm in die Kinos gebracht. "Survival" ist kurz nach dem recht intelligenten "Diary of the Dead" gedreht worden und erzählt die alte "In der Welt der lebenden Toten sind die lebenden Lebenden oft weitaus gefährlicher"-Geschichte noch einmal: Auf einer Insel kämpfen zwei Menschengruppen um ihr Zombie-Konzept: Resozialisierung und Warten auf Heilung vs. konsequente Vernichtung lassen sich die Positionen zusammenfassen. Als der Anführer der Genozid-Befürworter von der Insel verbannt wird und auf dem Festland auf eine Söldner-Truppe trifft, die er überzeugt, mit ihm zum Eiland zurückzukehren, kommen neue Kräfte ins Spiel um das Verhältnis zwischen den befeindeten Gruppen.

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(Bild: www.fantasyfilmfest.com)

Das liest sich alles wie aus Romeros "Day of the Dead" (1985) und in der Tat hat der Regisseur seiner Fabel von damals in "Survival" nicht viel hinzufügen. Wieder einmal bekommt man plakative Sozialkritik in Form eines Zombiefilms vorgesetzt. Ob es an der zu kurzen Planungsphase des Films lag (in Kürze soll ein weiterer und vielleicht letzter Romero-Zombie die neue Trilogie vervollständigen), oder einfach daran, dass dem in die Jahre gekommenen Vater der Zombies einfach langsam die Ideen ausgehen, die zudem seine Epigonen weitaus inspirierter fortentwickeln.

Lichtschutzfaktor

Eine ganz ähnliche Dystopie stellt der neue Film des "Undead"-Regisseur-Gespanns Michael und Peter Spierig vor: "Daybreakers" erzählt von einer Welt, die von Vampiren beherrscht wird und in der die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes "Mangelware" sind. Den Vampiren, die sich technisch sehr gut eingerichtet haben, geht das Blut aus und wenn sie verhungern retardieren sie zu menschengroßen Fledermaus-ähnlichen Bestien und alle zivilisatorischen Annehmlichkeiten sind dahin. Ein Vampir-Wissenschaftler, der eigentlich damit beschäftigt ist, ein Ersatz-Blut zu synthetisieren, trifft bei einem Autounfall auf noch lebende Menschen, die eine Möglichkeit gefunden haben, die Vampire zu "heilen", das heißt, sie wieder in Menschen zurückzuverwandeln. Ein schwierig zu vermittelndes Vorhaben, besticht das Vampir-Dasein doch durch Unsterblichkeit.

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(Bild: www.fantasyfilmfest.com)

"Daybreakers" hat eine Menge zu bieten: Zunächst einmal eine vollständig ausformulierte Monster-Welt, in der die Vampire nicht, wie etwa in "The Omega-Man" oder "I am Legend" Wahnsinnige sind, die die Welt in ein neues Mittelalter führen. Dann hat der Film der Spierigs eine ansehnliche Schauspieler-Riege, die von Ethan Hawke über Sam Neil bis Willem Dafoe und Isabel Lucas reicht. Und nicht zuletzt natürlich die für einen Horrorfilm obligatorischen Splatter-Effekte, die aber leider zumeist im Computer entstanden sind, so dass der Film dadurch ebenso steril wirkt, die die Blut-Farm, in der den letzten verbliebenen Menschen maschinell der Lebenssaft abgezapft wird.

Der Horrorfilm als Geisterbahn

Takashi Shimizu ist durch seine "Ju-On/The Grudge"-Filme, -Remakes und -Prequels bekannt geworden. Sein neuester Film "The Shock Labyrinth: Extreme - 3D" erzählt zwar auch wieder eine Geistergeschichte, fügt dieser jedoch eine neue Dimension hinzu - nämlich die (scheinbare) Dritte. Es handelt sich bei Shimizus Film um den ersten japanischen Beitrag zum schon nicht mehr ganz jungen 3D-Boom. Der Plot ist in eine Geisterbahn verlegt, in der drei Kinder auf den Geist eines verstorbenen Mädchens treffen, der abermals auf vergangene Schuld hinweist. Dem Geister-Labyrinth zu entkommen, ist nicht ganz leicht, weil die Kids das Schuld-Szenario (ein Treppensturz) immer und immer wieder in neuen Konstellationen durchleben müssen.

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(Bild: www.fantasyfilmfest.com)

Der Zuschauer muss das leider auch. Gruselig ist Shimizus neuer Film nicht, eher anstrengend. Und die Anstrengung steigt noch dadurch, dass die 3D-Effekte nicht immer gelungen sind und dort, wo sie einmal funktionieren, überaus penetrant daherkommen: Mit der Handkamera gedrehte Nah- und Detail-3D-Aufnahmen können einem beim Zuschauen schnell auf das Wohlbefinden schlagen. Zudem macht Shimizu ausführlichen Gebrauch von Weichzeichner-Filtern, was die affektive Schummerigkeit noch erhöht. Als Experiment ist "The Shock Labyrinth" durchaus ansehbar; man muss aber befürchten, dass ohne die 3D-Effekte (also etwa auf DVD) nicht viel vom Konzept übrig bleibt.

Die Fantasy-Filmfest-Nights sind am kommenden Wochenende ab Freitag in Nürnberg und Köln und ab Samstag in Hamburg zu sehen