Fritz Vahrenholts bahnbrechende Erkenntnisse

Braunkohlefreund behauptet mal wieder gehörigen Unfug

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Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung macht in angemessen satirischer Form in seinem Blog auf einen besonders dreisten Vorgang aufmerksam, der zugleich einen journalistischen Tiefpunkt markiert. Die Neue Osnabrücker Zeitung hat am 11.09. dem selbsternannten Klimafachmann Fritz Vahrenholt ein Mikrofon unter die Nase gehalten und sich dabei jede kritische Nachfrage verkniffen. Vahrenholt, im Hauptberuf Manager beim Braunkohle-Riesen RWE und ansonsten Chemiker ohne jede Erfahrung im Bereich der Klimaforschung, hatte letztes Jahr durch ein reichlich beworbenes, aber äußerst dürftiges Buch ( Braunkohlefreund erklärt uns das Klima) auf sich aufmerksam gemacht.

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Jahresmittelwert der global gemittelten Temperatur dargestellt als Abweichung vom Mittelwert der Jahre 1951 bis 1980. (Bild: GISS, NASA)

Auch bei der Neuen Osnabrücker Zeitung lässt Vahrenholt gleich zum Einstieg keinen Zweifel, worum es ihm bei seinen haltlosen Ausführungen über das Klima eigentlich geht: Die Energiewende sei überstürzt. Das muss er als Vertreter eines Konzerns wohl sagen, der immer noch in träge, für eine hauptsächlich auf Wind- und Sonnenenergie aufbauende Stromversorgung vollkommen ungeeignete Braunkohlekraftwerke investiert. Immerhin war Vahrenholt jedoch bis zum Sommer Chef der RWE-Erneuerbaren-Sparte Innogy und macht somit zugleich deutlich, wie wenig RWE tatsächlich an einer umweltfreundlichen Energieversorgung gelegen ist. (Übrigens: Eine RWE-Tochter fördert im schleswig-holsteinischen Wattenmeer, einem besonders wichtigen maritimen Ökosystem, Öl und hat sich 2010 hinter dem Rücken des Landtags und der Öffentlichkeit dafür eine Lizenzverlängerung bis 2041 besorgt.

Derlei Gebaren muss natürlich mit der entsprechenden Propaganda unterfüttert werden, wozu Vahrenholt in der Neuen Osnabrücker Zeitung reichlich Gelegenheit erhält. So behauptet er einmal mehr, "die globalen Temperaturen haben sich seit 14 Jahren nicht verändert". Dass das frei erfunden ist, kann jeder sofort an den Daten ablesen, die zum Beispiel das Goddard Institute for Space Studies der NASA in New York zusammenträgt. Obige Grafik basiert auf diesen Werten, und auch ein Chemiker sollte in der Lage sein, in ihnen einen klaren Trend zu erkennen.

Richtig abenteuerlich wird es aber, wenn der EX-SPD-Politiker sich zum Grönlandeis äußert: "...doch jeder sollte wissen, dass wir vor tausend Jahren einen viel größeren Eis-Rückgang gehabt haben. Grönland war damals fast eisfrei. Erik der Rote hat dort Landwirtschaft betrieben und Brunnen angelegt, die jetzt wieder zum Vorschein kommen."

So so, Grönland war fast eisfrei. Wie viel mag "fast" sein? 60 Prozent? 90 Prozent? Wieso konnten dann in den letzten 30 Jahren verschiedene Eisbohrkerne gewonnen werden, mit denen die Klimawissenschaftler weit über 100.000 Jahre zurück in die Vergangenheit schauen konnten? Und wo ist das ganze Wasser geblieben? In Grönlands Gletschern ist immerhin genug davon gespeichert, dass der Meeresspiegel um sieben Meter höher läge, sollten sie verschwinden. Und wenn sie "fast" verschwinden wären das wohl, je nach dem wie man „fast“ definiert, fünf oder sechs Meter.

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Sturmflutmarken im Hafen von Husum. Das Bild wurde zur besseren Lesbarkeit bearbeitet. (Bild: wop)

Demnach müsste ja vor tausend Jahren der Meeresspiegel entsprechend höher gelegen haben und Osnabrück um einiges näher am Meer. Irgendwie hätte der Interviewer da doch schon mal nachhaken können.

Jedenfalls muss das Eis danach verdammt schnell wieder gewachsen sein, denn im Hochmittelalter lag der Meeresspiegel an der Nordseeküste deutlich niedriger als heutigen Tags. Das zeigen unter anderem die alten Sturmflutmarken, wie sie zum Beispiel im Hafen von Husum festgehalten sind (siehe Bild). Merkwürdig, dass über derart dramatische Verschiebungen der Küstenlinien bisher keinerlei historische Aufzeichnungen bekannt sind, noch irgendein archäologischer Hinweis vorliegt.