Körperästhetik in der nächsten Dimension

Jeff Tremains "Jackass 3D" überschreitet die vorletzte Grenze

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Die zwischen dem Jahr 2000 und 2002 produzierte MTV-Fernsehserie "Jackass" gehört zu den einflussreichsten Medienereignissen des frühen 21. Jahrhunderts. Neben Formaten wie "Big Brother", "Popstars" (beide mit zahlreichen Ablegern) und diversen Reality-Spielshows hat das Format wesentlich zum "Aufbruch" des Privaten im/ins Fernsehen beigetragen. Die Grenzen, die solche TV-Shows überschreiten, sind dabei allerdings nicht bloß "voyeuristischer" Natur, sondern arbeiten vor allem auch an einer Egalisierung zwischen Medienproduktion und Medienrezeption. Der "kleine Mann" wird zum Star; seine Alltagserlebnisse zum Medienereignis. Mit "Jackass 3D", dem dritten Kino-Spinoff, zeigt sich, dass dieses Format auch Potenzial für die große Leinwand besitzt - trotz seines wie fürs Fernsehen geschaffenen episodischen, nicht-narrativen Charakters.

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(Bild: Paramount Pictures)

Abermals führt die Stuntgruppe um ihren geheimen Anführer Jimmy Knoxville einen bunten Strauß an grotesken, ekligen und halsbrecherischen Acts vor. Zusammenfassen lässt sich das Gesehene kaum, ohne ins Anekdotenerzählen zu verfallen. Es sei jedoch gesagt, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist - insbesondere für den "schlechten Geschmack", was hier durchaus positiv gemeint ist. Die Akte reichen von gefährlichen Körpereinsätzen (mit Elektroschockgeräten, Sekundenkleber, angriffslustigen Paarzehern), Trickfallen und "practical jokes" (Faustschläge mit Boxhandschuh, Überraschungen mit künstlichen Riesenhänden, Schlangengruben) und Fahrzeug-Stunts (mit Skateboards, Rollschuhen, elektrischen Rollstühlen und der Düse eines Jets) und natürlich die zahlreichen abjekten Scherze, bei denen es um Kot, Darmwinde, Speichel, Urin und Schweiß geht.

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(Bild: Paramount Pictures)

Das alles hat man zwar in ähnlicher Form seit 2000 immer schon einmal gesehen, die Variation des bekannten, verbunden mit der 3D-Filmtechnik sorgt jedoch für eine grundsätzlich neue Seherfahrung. So sind vor allem die in Zeitlupe gefilmten Sequenzen, in denen es um Explosionen oder sehr schnelle Bewegungen geht, eine echte Bereicherung, weil sie nicht nur vorführen, dass etwas kaputt oder etwas Schmerzhaftes vor sich geht, sondern das Geschehen sozusagen im Detail und räumlich förmlich "seziert" wird. In Verbindung mit der Adressierung des Zuschauerkörpers - man befindet sich eigentlich permanent in einem Zustand zwischen Lachen, schmerzhaftem Mitleid und Kotz-Gefühlen - wird aus dem 3D-Film so eigentlich schon ein "4D"-Film.

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(Bild: Paramount Pictures)

Der Körper als Adressat der Jackass-Jokes wird durch das optische Vordringen der Geschehnisse in den Zuschauerraum so erstmals auf eine ähnliche Weise affiziert, wie man es sonst nur aus ähnlichen 4D-Jahrmarkt-Attraktionen kennt. Das Kino wird mit "Jackass 3D" sozusagen wieder zu seinen Ursprüngen zurück geführt.