"Ich finde den Postmodernismus zerstörerisch"

George Hickenlooper, der Lumpensammler des "American Dream"

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Vielleicht wird die Zeit kommen, in der man das Werk von George Hickenlooper als eines der wenigen Beispiele unabhängigen Filmemachens in den USA unserer Gegenwart ansehen wird. Hickenlooper gehört zu den interessanten und durchaus singulären Stimmen des US-amerikanischen Kinos unserer Tage. Aber selbst im eigenen Land ist er eher unbekannt, und diejenigen seiner Filme, die bisher die meiste Aufmerksamkeit erhielten, sind nicht unbedingt seine wichtigsten.

Hickenlooper ein großer Frauenregisseur, der seine weiblichen Figuren nicht nur voller Liebe und Sensibilität, aber auch mit dem nötigen Anteil an bewunderndem Glamour fotografiert, sondern ihnen auch Raum zur Entfaltung gibt.

"Factory Girl"
"Factory Girl" (Bild: Bild: Kinostar)

Das gilt auch für "Factory Girl", der derzeit in den deutschen Kinos läuft. Hickenlooper mischt hier wie sonst auch, Dokumente und Mythen, der Einsicht folgend, dass Mythen nur eine andere Form von Wahrheit sind. Dieses spekulative Biopic der Warhol-Muse Edie Sedwick handelt von einer Frau in der Männerwelt, ist dann aber auch - indem es Andy Warhol und Bob Dylan gleichermaßen als intrigante und manipulative, vor allem aber narzisstische Künstlervampire zeigt -, eine moralische Abrechnung mit unseren Vorstellungen von Starglamour und Künstlertum. Immer wieder scheitern in Hickenloopers Filmen Idealisten, immer wieder schlägt Sensibilität in Grausamkeit um. Sein Amerika ist ein anonymes, erstarrtes Niemandsland, in dem kein Weiterkommen mehr möglich ist.

In diesem Sinne ist Hickenlooper ein fast altmodischer Regisseur, ein Vertreter einer klassisch-modernen Idee von Kino und damit ein Solitär in der gegenwärtigen Kinolandschaft. Das sieht er selbst auch so, wie folgender Interviewausschnitt zeigt:

"Ich hatte Filme in Sundance, die ziemlich gut ankamen. Aber ich bekam nie ein Entrée zu der Intellektuellenclique der Ostküste. Meine Filme passen nicht zu den Ideen der Postmoderne. Sie sind nicht schnippisch, nicht so über-witzig und karikierend wie so viele heutige Filme. Ich bedaure das nicht - es war meine bewusste Entscheidung. Ich finde den Postmodernismus zerstörerisch für unsere Kultur. Peter Bogdanovich sagte mir einmal, dass "The Last Picture Show" heute noch nicht mal ins Kabelfernsehen käme. Aber ich glaube, die Geschichte wird ungnädig sein mit Filmen wie "Far from Heaven" von Todd Haynes, die nur noch auf Metaebenen und über Fanclubs funktionieren. Am Ende sind es menschliche Dramen, Tschechow, Wyler und Ford, die bleiben."