"Fette Bildergalerie zum Untergang des Traumschiffs"

Der Nachrichtensender N24 lockt mit bemerkenswerter Offenheit

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Am Freitag den 13. Januar 2012 lief das Luxus-Kreuzfahrtschiff Costa Concordia vor der italienischen Insel Giglio auf Grund, schlug leck und kippte teilweise um. Bei dem Unglück kamen nach bisherigem Stand sechs Menschen ums Leben, fünfzehn weitere werden noch vermisst. Viele der Passagiere kritisierten die Reaktion der Besatzung, die sich lieber selbst in Sicherheit gebracht habe, statt sich an den Rettungsmaßnahmen zu beteiligen. Außerdem seien sie zu spät und zu schlecht über das Unglück informiert worden.

Die Reederei erhebt mittlerweile schwere Vorwürfe gegen den Kapitän: Er sei viel zu nahe an die Küste herangefahren und habe sich nicht an die Notfallvorschriften gehalten. Der in Untersuchungshaft genommene Schiffsführer rechtfertigt sich mit mangelhaften Schiffskarten, auf denen die Untiefe nicht verzeichnet gewesen sei. Mitglieder der Besatzung beschwerten sich dagegen teilweise über sensationslüsterne Passagiere, die Rettungsarbeiten durch ständiges Fotografieren behindert hätten.

Bei den meisten deutschen und in vielen amerikanischen Fernsehsendern war das Schiffsunglück am Wochenende die mit Abstand wichtigste Meldung. Weil sehr schnell nicht nur viele Kamerateams, sondern auch sehr viele Fotografen vor Ort waren, gab es bald massenhaft Bilder von dem Umglück. Der deutsche Nachrichtensender N24 war deshalb nicht der einzige, der eine Bildstrecke zum "Untergang des Traumschiffs" anbot. Aber die Offenheit, mit der dieses Instrument zur Steigerung der werberelevanten IVW-Zahlen auf der Facebook-Seite des Senders angepriesen wurde, sucht seinesgleichen: "Die dramatischen Stunden auf der Costa Concordia - eine fette Bildergalerie zum Untergang des Traumschiffs!" heißt es da in einem Duktus, der normalerweise Reality-Show-Insassen oder Gangsterrappern zu eigen ist.

Bei N24 hieß es auf Nachfrage von Telepolis in der Kommunikationsabteilung des Senders, man habe die Ankündigung, die 31 Facebook-Nutzern "gefiel", sofort nach dem Entdecken gelöscht und entschuldige sich bei den Lesern für die Wortwahl, die "dem Ereignis mit vielen Toten und Verletzten nicht angemessen" gewesen sei.

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(Bild: Screenshot: Telepolis)