Die Maschine will nicht laufen

Dokumentarfilm über Konrad Zuse auf DVD - mit 20 Jahren Verspätung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auf der Berliner Auftakt-Veranstaltung zum Zuse-Jahr 2010 wurden knapp 20 Minuten des Dokumentarfilms "Konrad Zuse - Ein Filmportrait des Computerpioniers und seiner Maschinen" des schweizerischen Regisseurs Mathias Knauer gezeigt. Ein Film, der bereits 1990 entstand, jedoch - außer auf Filmfestivals - bislang kaum je aufgeführt wurde. Anlässlich des 100. Geburtstags Zuses besteht nun endlich die Möglichkeit ihn auf DVD zu sehen.

Z23-Magnettrommelspeicher.jpg
Z-23 Magnettrommelspeicher

"Ein Film über einen Computer?", so der Regisseur gleich zu Beginn zweifelnd, "Was gibt es da zu zeigen?" Und es klingt wirklich paradox: Ein Medium der Bewegung soll eines der allenfalls "inneren Unruhe" dokumentieren? Wie filmt man solche Bewegungslosigkeit? Indem man die Bewegung um den Computer herum einfängt. Und das in einem doppelten Sinne, denn "bewegt" war einerseits das Leben Konrad Zuses (während und nach dem zweiten Weltkrieg und im Auf- und Niedergang seiner Firma Zuse KG) und bewegt ist auch das, was im Film mit seiner Erfindung geschieht: Gerahmt wird der Dokumentarfilm von der Rekonstruktion der legendären Z1-Maschine, des ersten Computers der Weltgeschichte. Die Z1 ist selbst ja noch eine Maschine der Bewegung, denn die Berechnungen, die sie durchführt, laufen mechanisch ab: Es muss gekurbelt werden, die Speicher- und Recheneinheiten werden durch Verschiebung metallischer Scheiben repräsentiert. Der Computer Z1 ist hier also so sehr in Bewegung, wie kein anderer mehr nach ihm.

Konrad Zuse.jpg
(Bild: Konrad Zuse)

Diese Bewegung erbt die Z1 aus anderen Technologien: Die Idee für eine mechanische Rechenmaschine geht Zuse zufolge auch auf die Lektüre eines Buches über Eisenbahnstellwerke zurück. Und auch die Tatsache, dass er für die dauerhafte Speicherung seiner Programme ausgerechnet 35-mm-Celluloid-Filme, die ihm sein Onkel aus den Mülltonnen der Ufa-Studios mitbringt, verwendet, belegt die Verwandtschaft zwischen dem Film als Medium der Bewegung und dem im Zuge der Verbesserung der Z-Serie immer bewegungsloser werdenden Computern. Als etwa in der Mitte des Films die Funktionalität der Z23 vorgeführt werden soll, zeigt die Kamera zunächst ihre Eingabekonsole, in die ein Mann Daten eintippt, dann wird der Magnetkernspeicher gezeigt, in dem sich - anders als noch beim mechanischen Speicher der Z1 - nach außen sichtbar nichts mehr rührt, dann ein ruhiges Bild des Rechnerinneren - und schließlich der Satz aus dem Off: "Wir haben Pech, die Maschine will nicht laufen." Eine sinnbildhafte Aussage in ihrer Doppeldeutigkeit für den Übergang von der Bewegung in die Starre.

Zunehmende Erstarrung der Rechentechnik

Mathias Knauer komponiert seinen Film um diese zunehmende Erstarrung der Rechentechnik mit optischem Feingefühl. Ausladende Gesten oder schnelle Schnitte gibt es selten, etwa wenn die LKWs über die Autobahn rollen, um den Z1-Nachbau von Hünfeld nach Berlin ins Technikmuseum zu transportieren. Dazwischen oft Stand-Bilder von Landschaften, Häusern, Bilder von Zuse, seiner Familie und seinen ehemaligen Mitarbeitern, die die Ruhe des Zurückblickenden ausstrahlen, und immer wieder bildfüllende Fotografien aus der Pionierzeit und den Anfangsjahren der Computerentwicklung. In vielerlei Hinsicht ist es also ein "Filmportrait" - auch weil es den Maler Zuse zeigt und wie dieser vor der Kamera eines seiner Bilder anfertigt, von denen es viele hundert gibt. Knauers Dokumentarfilm erzählt das auch in einem Ton, den man in seiner Ruhe heute kaum noch im Genre findet.

Rekonstruktion der Z1.jpg
(Bild: Rekonstruktion der Z!)

Das liegt nicht nur, aber auch daran, dass der Film vor genau 20 Jahren entstanden ist. "Konrad Zuse - Ein Filmportrait ..." hat lange Zeit keinen Verleiher gefunden: Fürs Kino war sein Sujet zu unspektakulär bzw. unbekannt; erst langsam besinnt man sich auch außerhalb von Fachkreisen der Leistungen Zuses und seines Werks, was durch das Zuse-Jahr vielleicht nun beschleunigt wird. Das Fernsehen war, laut Aussage des Regisseurs ebenfalls nicht interessiert, weil der Film mit seinen 72 Minuten zu lang für die dort üblichen 30-, 45- oder 60-minütigen Dokumentar-Formate ist. Dass er nun auf DVD verfügbar ist (zu bestellen über die Webseite des Autors), ist daher ein Glück. Ausgestattet ist diese DVD mit englischem und deutschem Ton sowie englischen Untertiteln sowie einem 40-seitigen Booklet, in dem ein komplettes Transkript der Tonebene, Essays und Interviews der am Film beteiligten Künstler finden.

Konrad Zuse Ein Filmportrait des Computerpioniers und seiner Maschinen, Schweiz 1990, Verleih: attacca Filmproduktion Zürich