Energiegipfel: Solar- und Windenergieverbände wurden nicht eingeladen

Bundesregierung berät mit den Kritikern der Solar- und Windenergie die Zukunft der Energiewende. Dabei kann eigentlich nichts Gutes herauskommen

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Für heute Nachmittag hat Angela Merkel zum "Energiegipfel" ins Kanzleramt geladen. Für wichtige Entscheidungen ist hier zu Lande ja nicht mehr das Parlament mit seinen Debatten und Anhörungen zuständig, sondern die Exekutive. Das kennen wir auch schon seit der Schröder-Fischer-Regierung und ihren Sozialkahlschlags-Kommissionen.

Die Gästeliste des heutigen Gipfels sagt eigentlich schon alles. Eingeladen sind, wie das Manager Magazin schreibt, die Spitzen von Industrie, Handwerk und Gewerkschaften, das heißt im einzelnen der BDI, der DIHK, der BDA, der ZDH sowie von den Gewerkschaften der DGB, die IGBCE, die IG Metall und Verdi. Da reibt man sich die Augen und fragt lieber noch mal nach. Ergebnis: Es stimmt tatsächlich, beim Bundesverband der Solarwirtschaft und beim Bundesverband Windenergie sind keine Einladungen eingegangen.

Die Bundeskanzlerin will also über die Zukunft der Energieversorgung diskutieren, ohne dass die Branche, die am meisten dazu beizutragen hätte, mit am Tisch sitzt. Aber wahrscheinlich würden sie bei den Diskussionen auch nur stören, deren Inhalt durch ein wahres Trommelfeuer aus dem Unternehmerlager in den letzten Tagen bereits vorgegeben wurde. Es soll dem Erneuerbaren-Energie-Gesetz an den Kragen gehen. Der Ausbau soll ausgebremst werden. Der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier hatte bereits Mitte August in seinem "10-Punkte-Programm" durchblicken lassen, dass ihm auch der Zubau der Windenergie zu schnell geht. Lieber weiht er neue Braunkohlekraftwerke ein.

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Aus: "Was Strom wirklich kostet" (Bild: Greenpeace Energy, BWE)

Die Freunde der Fossilen fuhren im Vorfeld des Gipfels auch noch die dritte Reihe auf. Am Dienstagvormittag meldete sich der Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie zu Wort. Das EEG müsse "reformiert" werden, die Strompreisentwicklung würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gefährden. Die ist bekanntlich derart wackelig, dass Deutschland seit vielen Jahren die weltweit größten Exportüberschüsse einfährt (und damit nicht unwesentlich zur gegenwärtigen Krise der Weltwirtschaft beiträgt).

Wortreich warnt der Verband vor "politisch administrierten Preisen", womit er allerdings weder die Subventionen für Kohle- und Atomstrom in Höhe von 364 Milliarden Euro meint noch die Auslagerung ihrer diversen Folgekosten (siehe auch Abbildung). Vielmehr gefällt dem Verband einfach nicht, dass Solar- und Windenergie Kohle und Atom den Rang ablaufen könnten. Besonders die Fotovoltaik mag man dabei gar nicht (im ersten Halbjahr 2012 haben die Erneuerbaren bereits rund 25 Prozent des Strombedarfs abgedeckt, Windkraft steuerte 9,2 Prozent bei).

Schließlich mischte sich auch noch die "Initiative Soziale Marktwirtschaft" in die Diskussion ein, ein unter anderem vom Industrieverband Gesamtmetall finanzierter Verein, der bisher vor allem durch seine vehemente Propaganda gegen den Sozialstaat aufgefallen ist. Das EEG müsse durch ein Quotensystem ersetzt werden. Und angesichts der derzeitigen Debatte kann man sich an drei Fingern ausrechnen, dass dabei Anteile herauskommen, die Kohle- und Atomstrom bevorzugen. Nebenbei bemerkt: Was könnte mehr dirigistisch sein als ein Quotensystem? Und ein solcher Vorschlag von einem Verein, dem sonst die freie Marktwirtschaft über alles geht.

Interessant ist auch die Begründung für den Vorschlag. So könnten zusätzliche Kosten in Höhe von 59 Milliarden Euro bis 2020 vermieden werden. Umgelegt auf den Verbrauch der Privathaushalte wären das in etwa 5,6 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh). Umgelegt auf den gesamten deutschen Stromverbrauch wären das allerdings nur rund 1,3 ct/kWh. Sollten diese bescheidenen Mehrkosten tatsächlich für die chemische Industrie schon zu hoch sein, dass sie nicht durch effizienteren Energieeinsatz wieder herein zu holen wären? Glaubwürdig klingt das nicht.