Horror und Computer

Zwei recht unterschiedliche Fantasy-Filmfest-Beiträge zeigen Ängste, die mit den "neuen Technologien" verbunden sind

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Computer im Film sind solange ein recht langweiliges Motiv, wie sie - quasi als Ausstattungsgegenstand - keine soziale Funktion bekommen oder ihr unsichtbares Treiben nicht in irgendeiner Form sichtbar wird. Im ersten Film "Ghost Machine" wird der Computer zum Erinnerungsort für Kriegsverbrechen, im zweiten Film, "Chatroom", wird versucht, den Computer als sozial-mediales Medium zu visualisieren.

Der Geist in der Maschine

Chris Hartwills "Ghost Machine" berichtet von einem militärischen Trainingssystem, in dem die Soldaten mit VR-Technologie ausgerüstet, in einem virtuellen Raum gegen Kriegsgegner antreten. Das System, das im Film derzeit in der Erprobung ist, wird nach Dienstschluss allerdings noch auf andere Weise getestet: Der Programmier und zwei Freunde tragen es in ein altes Gefängnis, in dem vor Jahren Gefangene auf ihre Lagerhaft in Guantanamo vorbereitet wurden, und wollen dort eine Art VR-Ego-Shooter-Spiel für sich inszenieren.

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"Ghost Machine" (Bild: Ausschnitt aus dem Trailer)

Dass in einem Verlies des Gefängnisses allerdings der Geist einer dort gefolterten und getöteten Computer-Hackerin herumspukt, wissen sie nicht. Sie erfahren es jedoch bald, als sie ins Spiel einsteigen und dort mit dem überaus potenten Opponenten konfrontiert werden. Nun heißt es, der virtuellen Realität wieder heil zu entkommen, was allerdings gar nicht so einfach ist, weil der Geist beginnt, das System so umzuprogrammieren, dass die Ausgänge versperrt sind oder erst verschiedene Stufen der VR überwunden werden müssen.

Leider macht "Ghost Machine" medienphilosophisch gesehen recht wenig aus seinem interessanten Erzählparadigma. Bereits in den 1990er Jahren hatte es einige Computer-Geister gegeben, die "mehr auf dem Kasten" hatten. Dennoch ist die Verknüpfung von virtueller Kriegsführung, medialer Raummetaphorik und der Problematik von Emergenz-Effekten in Software (also ungeplantem Verhalten von Programmen) ein nicht uninteressantes Triumvirat von Angst-Metaphern, das der Film aktualisiert.

Fragen, wie die nach der Wirkung virtueller Realität in hyperrealistischen Spielszenarien, werden heute zumeist unter dem Aspekt der "Sucht" abgehandelt; dass der im Film auftauchende Geist das "Schreckgespenst" genau dieses Diskurses ist, lässt sich kaum abstreiten - insbesondere als einer der Spieler dann auch noch auf die Idee kommt, eine Pornosimulation auf dem System laufen zu lassen.

Ort und Speicherort

Markant ist auch der Brückenschlag zwischen dem "Speicherort", den das Haus darstellt: Es besitzt offenbar eine Art Gedächtnis für alles, was in ihm geschieht - und der Sichtbarmachung der unsichtbaren Geschichte(n) dieses Ortes in Ästhetiken der augmented reality. Der Film verhandelt dies natürlich lediglich als Hintergrund, erweist sich gerade deswegen aber auch als ein aktueller Diskursbeitrag über das Medium Computer.

Regelrecht altbacken wirkt es schon, was "Chatroom" erzählt: Eine Geschichte recht unterschiedlicher Jugendlicher, die sich regelmäßig in einem Chatroom namens "Chelsea Teens" treffen. Ihr Anführer (Mod) ist William, Sohn einer berühmten Kinderbuchautorin, die er leidenschaftlich hasst. Seinen Hass kompensiert er, indem er labile Jugendliche via virtueller "Beratung" in den realen Suizid treibt. Nichts anderes hat er auch mit den "Chelsea Teens" vor - und zumindest bei einem von ihnen scheint ihm dies auch zu gelingen.

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"Chatroom" (Bild: Ausschnitt aus dem Trailer)

Hideo Nakata, der mit seinen "Ringu"-Filme berühmt geworden ist, versucht den medialen Horror nun in ein neues Medium zu transportieren, ein Medium, das zumindest in dieser Hinsicht schon zum vielfachen Gegenstand kritischer Fiktionalisierung geworden ist. Dass Nakata seinen Stoff nicht in Japan, sondern in Großbritannien inszeniert, lässt ihn gleich noch etwas altbackener erscheinen. Sicherlich: Chatrooms wörtlich zu nehmen und das Internet als eine Art Stundenhotel darzustellen, in dem jeder Raum ein Chatroom ist, mag naheliegen; es gewinnt der spezifischen medialen Qualität des Kommunikationsmediums Computer allerdings nichts ab, im Gegenteil: Es reduziert dessen Möglichkeiten.

Wird die Moral an der Chatroom-Door abgegeben?

So sind Fragen virtueller Selbstergänzung (in der Gestaltung oder Beschreibung des je eigenen Avatars) gar kein Thema des Films - jeder sieht dort so aus, wie im Real Life. Und auch die Grenzen virtueller Kommunikation ignoriert der Film im Fortgang geflissentlich, wenn er etwa Berührungen, Küsse und ähnliche erotische Kontakte gänzlich "uncodiert" zeigt. Wie sich diese auf dem Bildschirm des jeweiligen Chat-Partners darstellen, und wie sie sich in ihrer Qualität und Intention voneinander unterscheiden, wäre ein interessanter Aspekt gewesen.

Anstelle dessen legt der Film Wert auf eine Netzmoral: Das Treiben Williams soll beendet werden, dazu müssen die Teilnehmer den virtuellen Raum allerdings verlassen, und es kommt zum Showdown in der außermedialen Wirklichkeit. Ganz ähnlich wie der Fantasy-Filmfest-Beitrag "The Wild Hunt" erteilt "Chatroom" der nicht-virtuellen Realität den Vorzug: Ausschließlich in ihr lässt es sich moralisch leben - im falschen kann es kein richtiges Leben geben.