Videos zeigen Greueltaten von Sunniten-Brigaden

Der syrische Bürgerkrieg entwickelt sich immer stärker zu einem ethnoreligiösen Konflikt

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Der Bürgerkrieg in Syrien konzentriert sich derzeit vor allem auf das Wirtschaftszentrum Aleppo. Wie Damaskus, Homs und Hama liegt sie in einem Grenzbereich, in dem die Bevölkerungsschwerpunkte von Sunniten auf der einen und religiösen Minderheiten wie Alawiten, Christen und Schiiten auf der anderen Seite aufeinandertreffen. Das liegt auch daran, dass sich der Konflikt von einem anfänglich interreligiösen Protest zu einem ethnoreligiösen Konflikt entwickelte, in dem es weniger um das politische System geht, als darum, welche Volksgruppe in Syrien die Macht hat.

Das wird auch an den Greueltaten sichtbar, die sunnitische Brigaden mittlerweile nicht mehr nur heimlich begehen, sondern filmen und ins Internet stellen. Eines davon, das gestern die internationale Aufmerksamkeitsschwelle übersprang, zeigt die Dauerfeuer-Hinrichtung mehrerer anscheinend alawitischer Gefangener, die mit teilweise blutig geschlagenen Gesichtern und halbnackt an eine mit Sponge Bob und Mickey Mouse bemalte Wand gestellt werden - was darauf hindeutet, dass sie vorher gefoltert wurden. Ihre Exekution unter lautem Allahu-Akbar-Geschrei, die von einem grinsenden Bärtigen mit einem Mobiltelefon oder einer kleinen Kamera gefilmt wird, verstößt nicht nur gegen Kriegs- und Menschenrecht, sondern lässt auch gewisse Rückschlüsse auf die ausführenden Sunniten-Brigaden zu, die es sich nicht nehmen lassen, auch noch auf die Alawitenleichen zu schießen, die am Boden liegen. Andere Videos zeigen den mit Toten übersäten Hof einer Polizeistation, bei deren Einnahme offenbar keine Gefangenen gemacht wurden. Medienberichten nach kamen dabei 40 Polizisten zu Tode.

Mittlerweile wurde auch bekannt, dass die sunnitischen Brigaden, in deren Reihen zahlreiche Salafisten aus anderen arabischen Ländern kämpfen, nicht nur mit Kalaschnikows, sondern auch mit Panzern und anderen schweren Waffen ausgerüstet sind. Sie könnten entweder erbeutet oder von dem Geld bezahlt worden sein, das Saudi-Arabien und Katar überwiesen. Der US-Fernsehsender CNN berichtet zudem von einem angeblichen Geheimerlass Barack Obamas, der der CIA die verdeckte Unterstützung der sunnitischen Brigaden erlauben soll. Zu diesem Zweck wurde angeblich eine geheime Militärbasis im Süden der Türkei aufgebaut, an der auch Katar und Saudi-Arabien beteiligt sind. Im Weißen Haus schweigt man zu diesen Vorwürfen bislang.

Ein neuer Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bemängelt zwar Waffenlieferungen ausländischer Mächte nach Syrien, konzentriert sich aber in seiner Kritik auf die Regierungsseite, der er eine Unterstützung oder Duldung der Shabiha-Milizen vorwirft. Solche Shabiha-Milizen oder Sicherheitskräfte sollen dem Bericht nach im Mai im Aleppo auf unbewaffnete Demonstranten geschossen und dabei auch Zuschauer, Sanitäter und Kinder getötet und verletzt haben. Der syrische Präsident Assad bestreitet die Beteiligung von Soldaten oder Polizisten an Massakern.

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Siedlungsschwerpunkte der Bevölkerungsgruppen in Syrien (Bild: Telepolis)